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UFOs – was verraten sie über uns?

Nicht nur ein Thema für Aluhüte. Was die Sozialwissenschaften von ihnen lernen können.

Forschung / Uni & Gesellschaft

Bedrohung, Angst, aber auch Faszination und Hoffnung – Menschen haben widersprüchliche Gefühle, Erwartungen und Vorstellungen, wenn sie an Außerirdische denken. Nicht nur in den USA erhält das Thema derzeit große Aufmerksamkeit, auch an der Universität Bremen wird hierzu geforscht. Dr. Christian Peters von der Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS) gibt uns in seinem Vortrag bei SCIENCE GOES PUBLIC! einen Einblick, was das UFO-Phänomen mit uns macht und welche durchaus irdische Einsichten sich dadurch gewinnen lassen.

Herr Peters, Ihr Vortrag bei SCIENCE GOES PUBLIC! fällt durch ein eher ungewöhnliches Thema auf. Wie kommt es, dass UFOs derzeit wieder in aller Munde sind?

Tatsächlich sind sie nie ganz verschwunden. Schon immer haben Menschen unerklärliche Dinge am Himmel gesehen, nur wurden ihre Sichtungen je nach Zeit und Ort anders gedeutet. Die ‚moderne‘ UFO-Thematik entstand gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mit einer heißen Phase Ende der 1940er und Anfang der 1950er-Jahre. Die USA befanden sich im Kalten Krieg mit der Sowjetunion und das damit verbundene Wettrüsten und die Forschung an der Atombombe veränderten die Welt. Plötzlich ging es um real gewordene Science-Fiction, um Raketen und Weltenzerstörer und natürlich auch um eine neue Ära der Luftraumüberwachung. Nachdem die Sowjetunion 1957 mit Sputnik ihren ersten künstlichen Erdsatelliten auf den Weg brachte, war endlich auch die Menschheit auf dem Weg ins All. Man könnte sagen, der Blick ging immer weiter nach oben und das Militär bemühte sich derweil, die nicht abreißenden Meldungen von UFO-Sichtungen zu erfassen und auszuwerten. Offiziell endete das Ganze Ende der 1960er-Jahre mit dem sogenannten Condon-Report, der zu dem Schluss kam, dass an fliegenden Untertassen wissenschaftlich nichts dran sei. Doch der Geist war noch lange nicht zurück in der Flasche.

2017 deckten Journalist:innen der New York Times auf, dass das Verteidigungsministerium in den USA – trotz anderslautender Informationen – seit Anfang der 2000er-Jahre ein eigenes UFO-Programm betrieb. Im vergangenen Jahr erhob ein hochrangiger Whistleblower die Vorwürfe gegen das US-Militär, dass dieses tatsächlich existierende Alien-Technologie zurückhalten würde. Es gab Anhörungen im US-Kongress und im Juli letzten Jahres wurde mit dem sogenannten Schumer-Amendment sogar ein Gesetz auf den Weg gebracht, in dem es um den Umgang mit nicht-menschlicher Intelligenz und Technologie geht. Auch in Brasilien und Mexiko existieren politische Initiativen, und selbst das EU-Parlament hat erst letzte Woche eine Anhörung zum Thema durchgeführt. Dreh- und Angelpunkt der ernsthafteren Vorstöße zu den Unidentified Anomalous Phenomena oder UAP, wie UFOs heute genannt werden, ist natürlich die Frage der nationalen Sicherheit: Durch die Fortschritte in der unbemannten Flugtechnik, aber auch durch die Ausweitung der privaten Raumfahrt ist der Himmel plötzlich wieder voller geworden. Und nicht alles, was dort als Radarsignatur wahrgenommen wird, lässt sich sofort zuordnen, bleibt zunächst also nicht identifiziert. Voilà. Das unidentifizierte Flugobjekt. Das ist natürlich ein großes Problem für die private und die militärische Flugsicherung und sicherlich der politisch dringlichste Aspekt der UAP-Diskussion. Daneben geht es aber auch um die Frage: „Was ist, wenn da oben wirklich etwas Merkwürdiges ist?“. Und auch hier beobachten meine Kolleg:innen und ich einen Wandel. Die Wissenschaft interessiert sich mehr dafür, die Medien nehmen das dankbar auf, es entstehen Stiftungen und Gesellschaften, Datenbanken und Tracking-Apps, die Handybesitzer:innen zu Feldforscher:innen machen.

Christian Peters steht vor eine Wand mit bunten Schriftzügen aus dem Themenbereich Sozialwissenschaften in unterschiedlichen Sprachen.
Dr. Christian Peters stellt sich in seiner Forschung die Fragen, warum so viele Menschen auf das Thema anspringen, warum es gerade jetzt politische Relevanz erhält und was sich damit an Erwartungen, Hoffnungen und Werten verbindet.
© Lukas Klose

Woher kommt Ihr Interesse an dem Thema?

Mein Interesse an Außerirdischem – in jeder Hinsicht – bestand schon lange bevor ich mich für die Sozialwissenschaften interessierte. Schon als Jugendlicher war ich vom Sternenhimmel fasziniert, meine Cousine sagte immer, ich würde eines Tages in ein Loch fallen, weil ich mit dem Kopf in den Wolken war. Ich las alles an Science-Fiction, was ich in die Finger bekam, auch kosmologische und astronomische Bücher, zumindest soweit sie verständlich waren. Was mich immer wieder erstaunt hat: Es gibt viele Menschen, die es vermeiden, tief in den Himmel zu schauen. Es scheint sie zu überfordern, dass dort alles scheinbar unendlich ist. Und deshalb interessieren sie sich vielleicht auch nicht so sehr für die großen Fragen dahinter: Woher kommen wir? Sind wir allein in dieser Weite? Und wenn nicht, was bedeutet das für uns? Ein einfaches Beispiel: Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist das Universum etwa 13,8 Milliarden Jahre alt. Mit anderen Worten: Wenn unsere Theorien stimmen, dann geht wirklich alles, was existiert, gehen alle Materie und Energie und auch alle Naturgesetze auf diesen Anfangszeitpunkt zurück. Fragen Sie nun aber einmal die Leute um sich herum, wie alt sie unseren Kosmos schätzen. Sie werden über die Antworten erstaunt sein. Mich haben solche Fragen jedenfalls angetrieben. Mein kindlicher Wunsch war es, zum Zentrum der Milchstraße zu fliegen und alles zu verstehen. Dann kam das Erwachsenwerden und es wurde schnell klar, dass das, was direkt vor unserer Haustür liegt, vielleicht die drängenderen Fragen aufwirft. Zu Recht! Hier kommt die Gesellschaft ins Spiel. Und in letzter Zeit vermischen sich diese beiden Sphären. Das macht Spaß und ich lerne faszinierende Menschen kennen. Leute aus dem direkten Umfeld des Weißen Hauses, die selbst mehrfach UFOs gesehen haben wollen, einen weltberühmten Astronomen, der im Sonnensystem außerirdische technologische Artefakte nachweisen will, und einen in UFO-Kreisen legendären französischen Forscher, dem Steven Spielberg in „Close Encounter of the Third Kind“ ein Denkmal gesetzt hat. Die haben in der Tat Spannendes zu berichten.

„Es geht also nie ‚nur‘ um eine fliegende Untertasse mit kleinen grauen Männchen darin, sondern es werden dringende Themen verhandelt.“

UFOs und Sozialwissenschaften, wie passt das zusammen?

Die Sozial- und Kulturwissenschaften sollten eigentlich von allen Disziplinen die geringsten Berührungsängste mit dem Thema haben, da es ihnen ja nicht darum gehen kann, Erklärungen für unerklärliche Phänomene zu liefern, sondern sich mit der menschlichen Seite der Angelegenheit zu beschäftigen. Bisher existieren allerdings noch nicht viele Studien, das fängt gerade erst an. Als Politikwissenschaftler und somit auch als Teil der Sozialwissenschaften interessieren mich Prozesse, die mit neuen Wertvorstellungen oder der Verschiebung alter Wertmuster zu tun haben, auch und gerade im Bereich von Technik und Technologie. Da passt das UFO gut hinein. Es nimmt eine Reihe kommender Fragen vorweg, etwa im Hinblick auf starke KI, wenn man diese als nicht-menschlichen Akteur versteht, auf den Gesellschaften reagieren werden – und es bereits tun. Das UFO dient aber auch als Projektionsfläche für Heilserwartungen und Ängste vor technologischem Wandel. Es geht also nie „nur“ um eine fliegende Untertasse mit kleinen grauen Männchen darin, sondern es werden dringende Themen verhandelt. Ich vertrete beispielweise die Position, dass die Vorstellung einer überlegenen Alien-Zivilisation auch einen Blick in eine Zukunft wirft, in der sich die Menschheit trotz aller ökologischen Krisen bewähren konnte. Wenn es UFOs gibt, so die Idee, dann muss es ja möglich sein, als technologiefähige Spezies zu überleben. Das ist ein trivialer Gedanke, aber angesichts der traurigen Gegenwart auch ein sehr mächtiger. Und ich glaube, das macht den Reiz des Themas aus. Vielleicht geht es dabei sogar um Inspiration. Aus meiner Sicht sollten wir uns also fragen, warum so viele Menschen auf dieses Thema anspringen, warum es gerade jetzt politische Relevanz erhält und was sich damit an Erwartungen, Hoffnungen und Werten verbindet. Um es plakativ auszudrücken: Vielleicht geht es in Zukunft nicht mehr nur um links und rechts im politischen Zirkus, sondern auch um oben und unten, um All oder Erde.

Und was macht das Phänomen jetzt mit uns als Gesellschaft?

Wie gesagt, ich bin überzeugt, dass die Menschen mit diesem Thema eine Vielzahl von Erwartungen, Hoffnungen, aber auch Ängsten und Herausforderungen verhandeln. C.G. Jung, der Begründer der analytischen Psychologie, hat in einem kleinen Büchlein aus dem Jahr 1958 das UFO als einen modernen Mythos im Entstehen beschrieben. Er spiegele in zeitgemäßer, nämlich technologischer Form das menschliche Bedürfnis nach einer tiefen Sinngebung und einer Heilsgeschichte wider, das in der Wissensgesellschaft nicht mehr ausreichend befriedigt werden kann. Ich selbst beschäftige mich derzeit mit der Frage, inwieweit bestimmte Formen der UFO-Erzählung das wachsende Misstrauen westlicher Gesellschaften gegenüber ihren Regierungen widerspiegeln. Wenn man hier unterwegs ist, findet man in der Tat viele Verschwörungstheorien, viel Zweifel an der Wissenschaft und am politischen System. Auf der anderen Seite kann man aber auch eine bemerkenswerte Intransparenz der staatlichen Stellen beobachten. Ich bin der Ansicht, dass es immer noch ein tiefes und letztlich irrationales Tabu gibt, über die Existenz und Präsenz außerirdischer Intelligenz nachzudenken. Ich betone: Nachzudenken! Es nicht pauschal abzulehnen, sondern es für möglich zu halten und damit intellektuell zu spielen, es zu einer kontrafaktischen Hypothese werden zu lassen, die uns vielleicht sogar weiterhilft bei sehr handfesten Fragen. Aber warum ist das so schräg? Die Naturwissenschaft zeigt uns jeden Tag, dass die Wahrscheinlichkeit von Leben im Universum hoch ist. Und wenn dieses Leben genug Zeit hatte, warum sollte es nicht so intelligent werden wie wir? Oder wenn es noch mehr Zeit hatte, vielleicht Millionen von Jahren noch intelligenter als wir? Und vielleicht erscheinen dann die kosmischen Entfernungen zwischen den Sternen nicht viel weiter als uns ein Transatlantikflug? Vor diesem Hintergrund bleibt es eine interessante Frage, wie viel Transparenz und Offenheit sich eine Weltmacht leisten könnte, wenn es tatsächlich Hinweise auf eine nicht-menschliche technologische Zivilisation gäbe, ob nun nah oder fern. Nicht viel, vermute ich - und das nicht ohne Grund, wenn sie weiterhin die Zügel in der Hand behalten will.

Worauf können sich die Besucher:innen Ihres Vortrags freuen?

Sie können sich auf ein paar unkonventionelle Gedanken zu diesem Thema freuen. Viele Menschen verbinden mit UFOs Aluhüte oder Science-Fiction, aber vielleicht wird ihnen nach dem Vortrag das Thema auch auf andere Art und Weise plausibler erscheinen. Ich freue mich auf jeden Fall auf viele Fragen aus dem Publikum und einen lebhaften Austausch.

In der Kneipe über UFOs reden – Interesse geweckt?

Wer mehr zu dem Thema erfahren möchte, kann am 18. April 2024 Dr. Christian Peters im Haifischbecken bei SCIENCE GOES PUBLIC! treffen. Ab 20:30 Uhr hält er seinen Vortrag „Sozialwissenschaft am Himmel: Was sagen uns UFOs über uns selbst und unsere Zukunft?“ Die Veranstaltungsreihe SCIENCE GOES PUBLIC! findet vom 14. März bis zum 18. April 2024 statt. In gemütlicher Kneipenatmosphäre erzählen Wissenschaftler:innen in 30-minütigen Kurzvorträgen leicht verständlich, woran sie aktuell forschen und arbeiten. Alle Infos und Termine zu den kostenfreien Vorträgen aus der Wissenschaft in Bremen und Bremerhaven gibt es auf der Webseite von SCIENCE GOES PUBLIC!.

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