Wer lesen kann, ist klar im Vorteil
In dieser Serie stellen wir Menschen vom Campus und ihre Lektüre vor
Yvonne Voigt ist Mitarbeiterin der Staats- und Universitätsbibliothek. Ihr Lieblingsbuch „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ des argentinischen Autors und Psychiaters Jorge Bucay hat sie in einer handlichen reclamgroßen Ausgabe dabei.
Darin schildert der Ich-Erzähler Demian, ein ängstlicher, unzufriedener Student in der Sinnkrise, seine Sitzungen bei einem Therapeuten. Der wiederum ist der Autor Bucay, im Buch „Der Dicke“ genannt. Das klingt erstmal verwirrend. Wie denn nun? „Ich mag die entspannte Mischung, die faszinierende, ineinander verschränkte Perspektive“, lacht Yvonne Voigt. Noch vor wenigen Tagen hieß die 31-Jährige Bartels. Inzwischen hat sie ihren Traummannn geheiratet. Voigt ist nun ihr neuer Familienname. Sie lächelt, weil sich die Dinge des Lebens verändern. Genau wie im Buch.
Literarischer Snack auf Bahnfahrten
„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“ Das steht auf dem Einband, und besser kann man es nach Worten unserer Leserin auch nicht zusammenfassen. Das Büchlein hat sie gern auf Bahnfahrten bei sich und schlägt es willkürlich auf. Es ist ihre Langzeitlektüre. Warum das funktioniert? Der Psychotherapeut erzählt seinem Patienten in kurzen, griffigen Kapiteln Geschichten, Witze, Anekdoten, Gleichnisse. Allesamt nachdenkenswert und so konstruiert, dass sich für Leserinnen und Leser mindestens ein Körnchen einer persönlich zutreffenden Wahrheit finden lässt.
Warum reißt der Elefant sich nicht los?
„Es ist eine Form des Erinnerns“, sagt Yvonne Voigt, „wir vergessen oftmals in unserem Erwachsenenalltag, was wir als Kinder gelernt haben.“ Und umgekehrt. Gleich die erste Geschichte – auch das Titelbild des Buches – hat die studierte Bibliothekarin in ihren Bann gezogen. Sie handelt von einem tonnenschweren Zirkuselefanten, der sich nach der Vorstellung ergeben anpflocken lässt. Dabei könnte er das winzige Stück Holz samt Eisenkette mit einem Ruck aus dem Boden ziehen. Warum tut er das nicht? Das mächtige Tier, das sogar Bäume ausreißen kann? „In der Geschichte steht, dass er als kleiner, neugeborener Elefant schon so angepflockt war“, sagt Yvonne Voigt. Er habe damals vergeblich versucht, loszukommen. Das sei nicht gelungen. „Nun glaubt er für immer, dass er es nicht kann.“ In diesem Fall wäre es also besser zu vergessen, was man als Kind gelernt hat.
Dritter Beobachter im Raum
Jorge Bucay habe das Buch – eine Mischung aus Roman und psychotherapeutischen Sitzungsprotokollen – „angenehm geschrieben“, meint die Bibliotheksfachfrau. „Es ist lebendiges Erzählen, stets habe ich dabei das Gefühl, ich sitze als dritter Beobachter im Raum“, schildert sie ihre Lektüreeindrücke. „Jeder kann sich da abholen lassen, wo er möchte.“ Zweite Lieblingsstory: Der Kreis der 99. Ein muffeliger König hat einen stets fröhlichen Diener und will hinter dessen Geheimnis kommen. Was ein Beutel mit 99 Goldmünzen dann aus der Frohnatur macht, das können Interessierte nun selber herausfinden.
„Gern von Menschen umgeben“
Wie Yvonne Voigt dieses Buch für sich entdeckt hat? „Ich hatte mal eine Findungskrise, da war es ein gutgemeintes Augenzwinkern einer Freundin“, sagt sie offen. Findungskrise kann man sich bei der vitalen, zugewandten Frau nun überhaupt nicht vorstellen. In der SuUB hat sie ihre berufliche Erfüllung gefunden. Neben der Arbeit am Informationsstand stellt sie „Semesterapparate“ zusammen. „Ich bin für Sprach- und Geisteswissenschaften zuständig“, schildert die junge Frau ihre Arbeit. Hochschullehrer geben ihr Seminarlisten mit bis zu 30 Titeln, die sie dann als Präsenzexemplare arrangiert. „Alle Studierenden sollen die Möglichkeit haben, reinzuschauen“, sagt sie und strahlt „ich bin gern von Menschen umgeben“. Ihr Hobby ist die Fotografie, weshalb unser up2date-Fotograf Matej Meza auch gleich die Gretchenfrage stellt: „Canon oder Nikon?“. Und dann haben die beiden sich noch jede Menge zu erzählen.
Wer hat eine Buchempfehlung, die er anderen Leseinteressierten nicht vorenthalten will? Es kann Belletristik sein, aber auch Sachbücher sind interessant. Eine Nachricht an die up2date-Redaktion up2date@uni-bremen.de reicht, und wir kommen zum Interview vorbei.