Wenn alle Stricke reißen
Rund 1.200 Studierende suchen jedes Jahr die Psychologische Beratungsstelle des Studierendenwerks Bremen auf. Swantje Wrobel und ihr Team stehen auch während der Coronakrise mit Rat und Tat zur Seite.
Ausgangsbeschränkungen, Social Distancing und Verunsicherungen, wie es in Zukunft weiter geht – der Coronavirus hat unser Leben mächtig durchgeschüttelt. Zurzeit müssen sich alle neu orientieren und mit der Lage zurechtkommen. Aber was ist, wenn auch schon vorher das Leben durch Angstzustände, depressive Verstimmungen oder Depressionen geprägt war? Die Psychologische Beratungsstelle des Studierendenwerks Bremen unterstützt auch während der Coronakrise und ist weiterhin telefonisch erreichbar.
Der Besuch in der Lieblingskneipe, die lustige WG-Party am Wochenende und selbst die lauschigen Abende mit dem Freundeskreis auf dem Sofa sind wegen Corona erstmal passé. Auch die Vorlesung, zu der man sich sonst noch verschlafen am Morgen geschleppt hat, findet jetzt online statt. Was alle zurzeit verbindet, sind die vielen Einschränkungen durch Corona. Den einen schlägt es aufs Gemüt, die anderen verlieren den Halt.
„Strukturen geben Menschen im Alltag Sicherheit – vor allem, wenn sie an einer psychischen Vorerkrankung leiden. Insbesondere zu einer Zeit, wo auch existentielle Ängste aufkommen, wie Geldprobleme oder fehlende Jobperspektiven, ist eine gewohnte Struktur wichtig für die mentale Gesundheit“, erklärt Swantje Wrobel. Die Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle (PBS) des Studierendenwerks Bremen berät mit ihrem Team Studierende in persönlichen Krisensituationen. Auch während der Coronakrise sind sie und ihr Team telefonisch zu den üblichen Sprechzeiten für die Studierenden erreichbar: „Zwar können wir nicht mehr persönliche Sprechstunden anbieten, aber auch am Telefon können Strategien entwickelt werden, wie mit schwierigen Situationen umgegangen werden kann.“
Tipp Nr. 1: Geregelten Tagesablauf schaffen
Wenn plötzlich die Strukturen wegfallen und der Halt fehlt, empfiehlt Wrobel, einen geregelten Tagesablauf zu schaffen, indem Essens- oder Lernzeiten festgelegt sind. „Meist wird eine Alltagsstruktur von außen vorgegeben, zum Beispiel durch Verpflichtungen wie Vorlesungen, Seminare oder Lerngruppen“, erklärt die Leiterin des PBS. Fehlt die Selbstdisziplin, können Freunde und Familie weiterhelfen: „Ich kann jemanden bitten, mich jeden Tag zur gleichen Zeit anzurufen. Auch das strukturiert den Tag“.
Tipp Nr. 2: Realistische Tagesziele setzen
Helfen können auch kleine Ziele, die an einem Tag machbar sind, wie den Kleiderschrank ausmisten oder auch zwanzig Seiten im Lieblingsbuch lesen. Wichtig ist, sich einen realistischen Tagesablauf und erreichbare Ziele zu setzen, empfiehlt Wrobel: „Zwölf Stunden am Tag lernen ist zwar löblich, aber auch unter normalen Umständen selten machbar“.
Tipp Nr. 3: Soziale Kontakte
In Zeiten von Social Distancing fällt nicht nur der physische Kontakt zu Freunden und Familie weg, sondern auch Treffen von Selbsthilfegruppen. Für Menschen mit psychischen Vorerkrankungen oder depressiven Verstimmungen ist es meist schwieriger, den Kontakt zu ihren Nächsten selbst aufrechtzuerhalten. „Betroffene von Depressionen oder depressiven Verstimmungen igeln sich oft ein, weil der Kontakt zu Mitmenschen zu viele Ressourcen frisst, die sie für sich selbst zur Genesung brauchen“, erklärt Wrobel. Ihr Tipp: offen und transparent Probleme mit Freunden und Familie kommunizieren. „So wissen Angehörige Bescheid und können selbst regelmäßig Kontakt aufnehmen.“ Auch Angehörige können auf Warnsignale achten und dies ansprechen. „Das zeigt den Betroffenen, dass sie nicht egal sind und sich jemand um sie sorgt.
Tipp Nr. 4: Um Hilfe bitten
Wenn einen doch die Angst überwältigt und alle Stricke reißen, rät Wrobel zum Hörer zu greifen: „Manchmal zeigen solche Extremsituationen, dass es an der Zeit ist, sich professionelle Hilfe zu holen. Meist werden die Probleme im Alltag nämlich zur Seite geschoben und klein geredet“.
Tipp Nr. 5: Frische Luft und Bewegung
Noch ein allgemeiner Tipp von Wrobel, um gut durch die Coronakrise zu kommen: Ab und zu den Fernseher ausschalten und sich draußen bewegen, frische Luft schnappen und Vitamin D tanken. Das tut nicht nur dem Körper, sondern auch dem Kopf gut.
Psychologische Beratung
Die Psychologische Beratungsstelle befindet sich im Zentralbereich der Universität Bremen, unterhalb der Mensa. Termine können telefonisch am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9 bis 13 und Mittwoch von 14 bis 16 Uhr vereinbart werden. Erreichbar ist die Beratungsstelle unter 22 01 - 1 13 10 oder per E-Mail unter pbs@stw-bremen.de. Zudem gibt es eine Online-Beratung. Die Services der PBS stehen Studierenden der Universität und der Hochschulen in Bremen und Bremerhaven kostenfrei zur Verfügung.