Wie die Universität Bremen Wissenschaftskarrieren von Frauen fördert
Unterstützungsangebote vom Studium bis zur Professur
Was den Frauenanteil unter den Professuren angeht, landet die Universität Bremen in bundesweiten Rankings regelmäßig auf den vorderen Plätzen. Erfolgreich war sie zuletzt auch beim Professorinnenprogramm von Bund und Ländern. Doch die Universität engagiert sich nicht ausschließlich für die Gleichstellung von Frauen. Denn das Konzept der Diskriminierung ist vielschichtig. Diskriminierung kann sich unter anderem auf die sozioökonomische Herkunft, die sexuelle Orientierung oder die Religion einer Person beziehen oder rassistisch motiviert sein. Hier setzen die Mitarbeitenden des Referats Chancengleichheit/Antidiskriminierung mit vielfältigen Projekten und Initiativen an.
Seit 2008 können sich Hochschulen mit ihren Gleichstellungskonzepten im Professorinnenprogramm bewerben, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit den Bundesländern umgesetzt wird. Ende Februar gab das BMBF bekannt, dass die Universität Bremen erneut erfolgreich war: So kann sie Gelder in Höhe von bis zu 1.475.000 Euro für drei Professuren von Frauen beantragen. Doch damit nicht genug: Die Universität Bremen erhielt zusätzlich das Prädikat „Gleichstellungsstarke Hochschule“ für ihr herausragendes Gleichstellungskonzept. Dieses Prädikat ist nur 22 von insgesamt 108 teilnehmenden Hochschulen verliehen worden. Es ermöglicht ihnen, zusätzlich jeweils eine Stelle für eine Postdoc-Wissenschaftlerin zu beantragen.
Die Universität Bremen kann seit der ersten Runde des Professorinnenprogramms Erfolge verzeichnen und hat in jeder Runde die maximale Fördersumme eingeworben. Die Finanzierung deckt einen Zeitraum von fünf Jahren ab, danach müssen die Stellen aus eigenen Mitteln verstetigt werden. „Das Professorinnenprogramm hilft also auch langfristig dabei, mehr Professuren mit Frauen zu besetzen“, sagt Anneliese Niehoff, Leiterin des Referats Chancengleichheit/Antidiskriminierung. Wie erfolgreich die Universität dabei ist, zeigt sich immer wieder in bundesweiten Rankings, zuletzt etwa bei einer Erhebung des Verbraucherschutzvereins Berlin/Brandenburg. Unter 42 teilnehmenden Hochschulen wies die Universität Bremen hier den sechsthöchsten Frauenanteil bei Professuren auf. Was den Anteil von Frauen in Fachbereichsleitungen anging, lag sie sogar auf Platz 3.
Von der Informatica feminale bis zu perspektive promotion
Dass die Universität hier so erfolgreich ist, liegt laut Anneliese Niehoff aber nicht nur am Professorinnenprogramm. „Die Universität Bremen hat in der Geschlechterpolitik schon früh ein eigenes Referat zu den Leitthemen Antidiskriminierung und Geschlechtergerechtigkeit geschaffen“, erläutert sie. So konnten Projekte und Maßnahmen umgesetzt werden, mit denen die Universität wiederum bei der Bewerbung im Professorinnenprogramm punkten konnte. Dieser Erfolg kommt nicht nur den Professorinnen zugute, sondern wirkt sich positiv auf die gesamte Universität aus. Schließlich fließen die erhaltenen Fördermittel in Gleichstellungsinitiativen und -projekte für Studierende sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen.
Aktuell gibt es an der Universität Bremen unter anderem folgende Maßnahmen zur Gleichstellungsförderung:
Seit 1997 veranstaltet die Universität die Informatica Feminale. An der Sommeruniversität für Frauen in der Informatik nehmen jährlich etwa 200 bis 250 Personen teil – Studentinnen, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, Abiturientinnen und Fachfrauen aus der Praxis. Seit 2005 wird das Angebot ergänzt durch die Ingenieurinnen-Sommeruni. Im vergangenen Jahr wurde die Informatica Feminale mit dem Preis für herausragende Gleichstellungsarbeit des Fakultätentags Informatik ausgezeichnet.
Beim Angebot perspektive promotion werden Frauen in ihrem Entscheidungsprozess für oder gegen eine Promotion beraten. Dazu gehören beispielsweise individuelle Gespräche, etwa zur Finanzierung oder zur Promotion mit Kind. Diese Unterstützung sei auch in Fächern mit einem hohen Frauenanteil wie den Geistes- und Sozialwissenschaften nötig, sagt Anneliese Niehoff. Denn sie und ihr Team beobachten, dass Männer in diesen Fächern deutlich häufiger eine Promotion an das Studium anschließen als Frauen. „Gleichstellung ist nicht nur ein Thema der MINT-Fächer“, resümiert sie.
Das Projekt go diverse besteht seit 2017 und ist im Rahmen des Professorinnenprogramms umgesetzt worden. Hier geht es um Beratung bei Berufungsverfahren für Professuren, aber auch bei anderen Ausschreibungsverfahren für Mitarbeitende in der Wissenschaft sowie in Technik und Verwaltung. Das Team von go diverse berät etwa dazu, wie Stellenanzeigen so formuliert werden können, dass sie einen größeren Personenkreis ansprechen. Außerdem bietet go diverse Fortbildungen zu Gender und Diversitätskompetenzen an. Ziel ist, Menschen aus vielfältigeren Kontexten zur Bewerbung zu ermutigen und im Auswahlprozess zu berücksichtigen – nicht nur in Bezug auf das Geschlecht, sondern beispielsweise auch auf das Alter, die Herkunft oder die Religion einer Person.
Das Programm BIG – Bridge between Internationalization and Gender richtet sich speziell an internationale Studentinnen und Wissenschaftlerinnen. „Wir haben festgestellt, dass nicht alle unserer übrigen Angebote für sie passend sind, weil sie häufig eigene Fragestellungen und Perspektiven mitbringen – etwa zu Arbeitsbedingungen für internationale Forschende oder zum deutschen Gesundheits- und Sozialsystem“, sagt Anneliese Niehoff. Daher finden im Rahmen von BIG unter anderem Informationsveranstaltungen etwa zu Promotionsmöglichkeiten und –bedingungen sowie Diskussionsabende und Vernetzungstreffen zwischen den internationalen Wissenschaftlerinnen statt.
Mehrdimensionale Diskriminierung im Blick
Ansätze wie die von go diverse und BIG, in der es neben dem Geschlecht auch um andere Dimensionen von Diskriminierung geht, spiegeln in besonderem Maße den Ansatz des Referats Referat Chancengleichheit/Antidiskriminierung wider. Das zeigt sich auch in ihrem Aufbau. „Inzwischen besteht das Referat aus drei Teilen“, erklärt Anneliese Niehoff. Zur Arbeitsstelle Chancengleichheit kommen die Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt (ADE) und die Arbeitsstelle Diversität.
„Geschlechtergerechtigkeit bleibt ein wichtiges Thema“, betont Anneliese Niehoff. Doch gleichzeitig sei in den letzten Jahren das Bewusstsein dafür gewachsen, dass auch die sexuelle Orientierung, die geschlechtliche Identität, die sozioökonomische Herkunft, die Positionierung als Person of Color, die Religionszugehörigkeit oder körperliche und geistige Beeinträchtigungen bedeutend sind und viele Personen auf mehreren Ebenen diskriminiert und benachteiligt werden. „Unsere Arbeit ist thematisch vielfältiger geworden“, sagt Anneliese Niehoff. „Aber der rote Faden ist, dass wir die Universitätsleitung darin beraten, gegen Diskriminierung anzukämpfen – auf welchen Ebenen auch immer sie zu finden ist.“