„Wir müssen uns für die Zukunft aufstellen“
25 Jahre Sprachenzentrum: Das SZHB hat in der letzten Mai-Woche Geburtstag. Ein kleiner Blick zurück und ein großer Blick nach vorne im Interview mit der Leiterin Professorin Claudia Harsch.
Eigentlich wollte das Sprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen – kurz SZHB – jetzt feiern. Die Gäste waren geladen, Festschriften und Reden vorbereitet, die Vorfreude groß. Doch Corona machte der Jubiläumswoche einen Strich durch die Rechnung. Stolz ist man beim SZHB dennoch auf ein erfolgreiches Vierteljahrhundert.
Frau Harsch, nun ist das SZHB 25 Jahre alt. Was überwiegt in so einer Situation: Der Blick zurück oder der nach vorne?
Der Blick zurück ist zwar interessant, aber der Blick nach vorne ist der Wichtigere. Es geht ja immer weiter. Wir müssen uns auf die Zukunft einstellen und uns für sie aufstellen. In der Vergangenheit waren die Bedingungen für das Sprachenzentrum andere, als sie es heute und in der Zukunft sind. Die Corona-Krise zeigt zum Beispiel deutlich, dass wir uns verstärkt mit digitaler Sprachenlehre beschäftigen müssen. Das ist aber so gemeint, dass wir digitale Möglichkeiten schaffen müssen, speziell für das Sprachenlernen miteinander zu kommunizieren – denn Sprachen lernt man nun mal am besten in der Kommunikation.
„Das Online-Lernen wird immer stärker werden.“
So, wie sich Sprache ständig verändert, verändert sich auch das Sprachenlernen. Wohin geht die Reise in den nächsten 25 Jahren – was zeichnet sich ab?
Ohne Orakelkugel tue ich mich sehr schwer, die Zukunft vorauszusehen. Aber das Online-Lernen und Interaktionsformen, die digital gestützt sind, werden mittelfristig immer stärker werden. Man sieht ja jetzt schon – zum Beispiel im YUFE-Projekt, wo es um den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Universität geht –, wie diese Lern- und Kommunikationsformen immer stärker eingesetzt werden.
Als das SZHB aus der Taufe gehoben wurde, standen Sie selbst kurz vor dem Studium. Was hätte die sprachenlernende Claudia Harsch damals gerne von dem gehabt, was heute zu Ihrem Angebot gehört?
Ich glaube, ein Selbstlernzentrum mit Tutorinnen und Tutoren, so wie wir es heute haben – das hätte mir gut gefallen und auch geholfen. Wo man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann und Tipps zum Sprachenlernen erhält. Ich erinnere mich an eine Zeit in England, wo ich als Assistent Teacher im Austausch war. Dort habe ich einen Englischkurs gemacht. Ich saß dort überwiegend zu Hause und habe alleine gelernt. Das geht heute anders! In Gemeinschaft macht es mehr Spaß und ist zudem produktiver. Momentan haben wir an allen Standorten des Sprachenzentrums Selbstlernzentren, die mit großem Erfolg arbeiten. Dort werden Sprachcafés angeboten. Zudem haben wir ausgebildete Studierende, die als Tutorinnen und Tutoren ihr Wissen in zielgerichteten Workshops weitergeben. Das scheint mir nicht nur jetzt, sondern auch für die Zukunft der richtige Weg.
„Ein solch breites Angebot wie wir haben andere Sprachzentren nicht.“
Gibt es etwas, das das Sprachenzentrum besonders gut macht? Wo sind Sie besser als vergleichbare Einrichtungen?
Da haben wir einiges. Weil wir für vier Hochschulen agieren und mit den in Bremen ansässigen Kulturinsituten kooperieren, haben wir natürlich mit derzeit 20 Sprachen auch ein sehr breites Angebot. Das ist sehr umfangreich, das haben andere Sprachzentren nicht. Dort sind natürlich die Ressourcen auch nicht da, und sie haben auch nicht diese Nachfrage. Ein weiteres besonderes Merkmal sind neben den erwähnten Selbstlernangeboten unsere „Herkunftssprachenkurse“. Das sind Kurse für Menschen, die eine andere Familiensprache als Deutsch haben und in dieser noch sicherer werden wollen, zum Beispiel durch das Erlernen besonderer Formulierungen auf akademischem Niveau. Das unterstützt auch die Umsetzung der Mehrsprachigkeitsstrategie, die die Universität Bremen hat.
In einer globalisierten Welt sind die Menschen immer stärker auf Sprachenkenntnisse angewiesen. Aber sie schaffen sich auch technische Hilfsmittel: Vielleicht können mithilfe Künstlicher Intelligenz eines nicht allzu fernen Tages Maschine Sprachen so gut übersetzen, dass man keine Sprachen mehr lernen muss. Ist das gut oder schlecht?
Das ist weder gut noch schlecht. Die technischen Möglichkeiten, die wir haben, sollten wir natürlich auch einsetzen. Wenn man die Vorteile der Kombination Mensch-Maschine nutzt, kommt man besser voran. Trotzdem halte ich es für wichtig, dass man weiterhin Sprachen selbst so gut beherrscht, dass man beispielsweise Literatur in dieser Sprache lesen kann. Selbst das beste Übersetzungsprogrammen wird nicht die feinen Nuancen, die Andeutungen, die Mehrdeutigkeiten oder die Ironie übersetzen können, die der Mensch in seine Konversation einbindet. Ich sehe nicht, dass eine Maschine das in absehbarer Zeit kann – und wenn doch, lasse ich mich gerne überraschen.