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Damals: Das Experiment Großraumbüro

Alle Statusgruppen in einem großen Raum – das war einer der neuen Ansätze der Bremer Reformuniversität in ihren Anfangsjahren. Doch der Versuch ging schief.

Campusleben

An der Universität Bremen ging das Großraumbüro für den Studiengang Arbeitslehre/Politik (AL/P) auf eine Idee zurück, die die Planungskommission Lehrerbildung Ende der 1960er-Jahre gehabt hatte. Der Studiengang AL/P spielte in den Anfangsjahren der jungen Universität eine große Rolle. Er vereinte thematisch die Sachgebiete Politik, Ökonomie, Technik und Geschichte; in ihm wurden Lehrerinnen und Lehrer für den vorberuflichen Unterricht ausgebildet. Dies sollte vorrangig in Form von Projekten in Kleingruppen geschehen.

Der Gründungssenat der Universität nahm diese Idee auf, weil er in ihr einen guten Ansatz sah, die Ideale der Reformuniversität umzusetzen: flache Hierarchien, kurze Kommunikationswege und die Förderung des Verständnisses für die Arbeit der jeweils anderen Statusgruppen (Studierende, Verwaltungspersonal, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer). Die Arbeit in Kleingruppen sollte ein Studierenden/Lehrenden-Verhältnis von 1:10 sichern, welches die Uni-Leitung mit der Senatorischen Behörde ausgehandelt hatte. Als Ort des Großraumbüros war die gesamte erste Etage über dem Parkdeck des neu gebauten Gebäudes GW 2 vorgesehen.

Vor dem Ansturm: Das Großraumbüro in der untersten Ebene des GW 2 kurz vor dem Bezug 1974.
© Universität Bremen

Aufgabe: Den Neubau in einen Arbeitsort umwandeln

Für die Planung der Ausstattung und Möblierung beauftragte die Universitätsleitung 1972 das renommierte Unternehmen „Quickborner Team“. Die Anforderungen waren hoch, galt es doch den damals bundesweit flächengrößten Universitäts-Neubau in einen funktionierenden Arbeitsort zu verwandeln. Neben Platz für Lehrveranstaltungen in unterschiedlicher Größe sollten die Planer Raum für Kleingruppen, Einzelarbeitsplätze, eine Werkstatt mit allerlei technischem Gerät – darunter eine Kreissäge und mehrere Nähmaschinen sowie einen bibliothekarischen Handapparat – konzipieren.

Das Quickborner Team ermittelte einen Flächenbedarf nach Regelwerk von 5.893 Quadratmetern. Diesem Bedarf stand aber nur eine reale Fläche von 3.154 Quadratmetern gegenüber. Damals wie heute setzte man fehlenden Kapazitäten (Fläche, Lehrkräfte, technische Ausstattung) das Argument entgegen, es seien ja nicht alle eingeschriebenen Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich gleichzeitig anwesend.

Virenumschlagsplatz in den kalten Jahreszeiten

Eine Reduzierung der Studierendenzahl war schon damals keine Option. Gespart wurde an den Gemeinschaftsflächen. Dabei hatte der Großraum schon in der Planungsphase keinen leichten Stand. Gegen Großraumbüros wurde im Allgemeinen deren Lautstärke ins Feld geführt. Die Kritik richtete sich auch gegen den fehlenden Rückzugsraum sowie ein hohes Maß an sozialer Kontrolle. In den kalten Jahreszeiten galten sie als Virenumschlagsplätze.

Die Arbeit in Kleingruppen sollte ein Studierenden/Lehrenden-Verhältnis von 1:10 sichern.
© H. Engelhardt

Gegen den Umzug ins Großraumbüro hatte insbesondere die Statusgruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer Vorbehalte. Fünf Professoren klagten erfolglos vor dem Bremer Verwaltungsgericht gegen den für sie vorgesehenen Arbeitsplatz. Sie forderten ein abschließbares Einzelbüro.

Kalte Füße an der Tagesordnung

Dennoch musste die Universitätsleitung zu Beginn des Jahres 1976 das Scheitern des Projekts eingestehen. Nur wenige Beteiligte beurteilten die Arbeitsverhältnisse als angemessen oder gar günstig. Neben der Akustik sorgten besonders die klimatischen Verhältnisse für Unmut. Der Klimaanlage gelang es nicht ansatzweise ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Allein 1974 fiel an 89 Tagen die Heizung aus, und eine ungenügende Dämmung der Garagendecke sorgte für kalte Füße.

Darüber hinaus sorgte mangelndes „großraumgerechtes“ Verhalten für Unmut. Der Sichtkontakt zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verführte zum Rufen statt dem Griff zum Telefon. Leise wurde es nur bei persönlichen Angelegenheiten. Zudem verschwanden immer wieder Einrichtungsgegenstände und persönliches Eigentum.

Betreuungsschlüssel von 1:15

Doch auch die senatorische Behörde hatte einen nicht unwesentlichen Anteil am Scheitern des Projekts. Die Arbeit in Kleingruppen war ein zentraler Punkt in der Konzeption des Großraumes. Das dafür nötige Betreuungsverhältnis von 1:10 erreichte der Studiengang Arbeitslehre/Politik aber nie. 1973 übernahm Bremen den bundesweiten Schlüssel von 1:15 für geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Studiengänge, welcher bei Fachvertreterinnen und Fachvertretern aus heutiger Perspektive sicher Tränen der Rührung auslösen dürfte. Der ungünstige Betreuungsschlüssel führte neben baulichen Mängeln letztlich zum Scheitern des Projekts Großraum.

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