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Ein Wiener in Norddeutschland

Akademischer Mittelbau im Fokus: Thomas Nakel aus der Arbeitsgruppe molekulare Genetik

Forschung

Aus Wien soll der Mann sein? Das kann kaum jemand glauben, der mit Thomas Nakel redet. Der typische langgezogene Wiener Dialekt fehlt völlig, der Molekularbiologe spricht erstklassiges Norddeutsch. „Nach ein paar Tagen in Wien klinge ich aber schon wieder ganz anders“, lacht er.

Die Universität Bremen ist eine internationale Universität, aber Menschen aus der Alpenrepublik verschlägt es eher selten in die norddeutsche Tiefebene. Und den Plan, mal in der Hansestadt Bremen zu landen, hatte Thomas Nakel natürlich nicht ausgearbeitet – „das war dann doch eher Zufall, weil meine Chefin Professorin Rita Groß-Hardt 2012 einen Ruf an die Uni Bremen erhielt. Damals ist praktisch die komplette Arbeitsgruppe von Tübingen mit in den Norden gezogen.“

Geplant war zunächst auch die Forscher-Karriere als Molekularbiologe nicht, denn Thomas Nakel ging in Wien auf ein sprachliches Gymnasium und machte dort auch seine Matura, wie das Abitur in Österreich heißt. „Politikwissenschaft oder Biologie?“ fragte er sich danach, als es ums Studium ging – und er entschied sich dann doch für die Naturwissenschaften. „Als Kind wollte ich immer Umweltschützer werden“, lacht er, „vielleicht lag es ja daran.“ Molekulare Biologie wurde sein Studienfach. „Mir hat immer das Praktische an der Biologie gefallen. Selber etwas mit den eigenen Händen machen, Versuche durchzuführen, auf dem Feld zu stehen oder in Gewächshäusern zu arbeiten. Und natürlich im Labor.“

Portrait Thomas Nakel
Thomas Nakel verantwortet neuerdings auch ein eigenes Forschungsprojekt zu roboterassistierter Hochgeschwindigkeitszüchtung.
© Jonas Ginter / Innowi

Seine Studienerfahrungen in Wien waren intensiv, insbesondere, wenn er sie aus heutiger Sicht mit den Bedingungen in Bremen vergleicht. „In Österreich gibt es keinen Numerus clausus, die Hörsäle waren mit 400 Leuten und mehr überfüllt. Hier in Bremen haben wir in einzelnen Veranstaltungen maximal 120 Studierende, im Master wird in kleinen Gruppen gearbeitet.“ Der Kontrast falle doch sehr ins Auge. Was Organisation und Lehre an der Universität Bremen angeht, hat er eine klare Meinung: „Ausgezeichnet.“

Zwischendurch mal Fahrradkurier in Wien

Irgendwann hatte Thomas Nakel sein Diplom der Molekularbiologie in der Tasche. Seine Abschlussarbeit hatte er auf dem Gebiet der Pharmakognosie geschrieben: „Dabei habe ich Naturextrakte aus Pflanzen extrahiert, um damit unreguliertes Zellwachstum beispielsweise nach einer Herzoperation zu unterdrücken.“, sagt er. Mit diesem Ansatz hätte es durchaus auch Möglichkeiten gegeben, in die Pharmaindustrie zu gehen, „es gab auch Vorstellungsgespräche.“ Aber Thomas Nakel konnte sich in dieser Phase nicht entscheiden, in welche Richtung es für ihn gehen sollte. Die Zwischenlösung: mehrere Monate als Fahrradkurier in der österreichischen Hauptstadt!

Schließlich landete er doch in der Wissenschaft. Er bewarb sich 2012 bei der Molekularbiologin Rita Groß-Hardt, die damals noch in Tübingen lehrte und forschte. Nach einem wissenschaftlichen Vortrag und einem langen Gespräch mit der Professorin bot sie ihm eine Doktorandenstelle an. Zusammen mit Postdoktoranden arbeitete er in dieser Phase am Thema Pollenschlauchanlockung. Dabei geht es um den Transfer von Spermien in Pflanzen und Doppelbefruchtungen – im Kern also um Fragen, die ihn auch heute beschäftigen.

Als „eingeschworenes Team“ bezeichnet Thomas Nakel die Arbeitsgruppe von Rita Groß-Hardt, und deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass fünf Doktoranden, ein Postdoc und eine Technikerin mit der Hochschullehrerin 2014 gemeinsam an die Universität Bremen wechselten. Der Laborumzug ist ihm bis heute als prägende Phase in Erinnerung geblieben: „Wir konnten das Labor komplett neu planen und haben dafür ein Budget bekommen. Für das, was wir mitgenommen haben, war es eine logistische Herausforderung. Es ist ja nicht so, dass man ein Umzugsteam bereitgestellt bekommt. Das muss man alles selber regeln.“ Sehr spannend sei diese Phase für alle Beteiligten gewesen.

Erst nahe des Bürgerparks, heute in der Nordheide

Zunächst zog er in Bremen in die Nähe der Universität und des Bürgerparks. „Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt, Bremen hat genau die richtige Größe und ist eine charmante Stadt.“ Aber wie das Leben so spielt: Noch in Tübingen hatte er seine heutige Ehefrau kennengelernt, die dort molekulare Genetik studierte und später eine Doktorandenstelle in Hamburg bekam. „Da bot sich Buchholz in der Nordheide, sozusagen in der Mitte, als Wohnort an“, berichtet Nakel. Momentaufnahme eines Forschung-Ehepaares: „Für uns beide sind heute die gemeinsamen morgendlichen Gänge zum Bahnhof wichtige Momente des Austauschs.“

„Wir haben erforscht, dass Pflanzen drei Eltern haben können: eine Mutter und zwei Väter.“

Mit der Arbeitsgruppe von Rita Groß-Hardt ist der 40-Jährige sehr erfolgreich. 2017 sorgte die AG für Aufsehen, als sie nachwies, dass in der Pflanzenwelt andere Fortpflanzungsregeln gelten: „Klassisch ist in der Natur ja Vater, Mutter, Kind. Wir haben erforscht, dass Pflanzen drei Eltern haben können: eine Mutter und zwei Väter.“ In seltenen Fällen kann mehr als eine Spermazelle mit einer Eizelle verschmelzen. „Dann spricht man von Polyspermie“, so Nakel. Wenn die beiden Spermazellen von zwei verschiedenen Vätern kommen, haben die Nachkommen drei Eltern.

Der Nachweis dieser Vorgänge auf molekulargenetischer Ebene war aufwändige Arbeit, weil dazu neue Verfahren kreiert werden mussten. Die Arbeitsgruppe mit Thomas Nakel entwickelte ein molekularbiologisches Werkzeug, bei dem der Sämling, der das genetische Material von zwei Vätern enthält, eine Herbizidresistenz aufwies. So ließ er sich eindeutig identifizieren. Das an der Universität Bremen entwickelte Verfahren der „Drei-Eltern-Kreuzung“ wurde mittlerweile für Europa, die USA und China zur Patentierung eingereicht. Für die Landwirtschaft der Zukunft kann das von großer Bedeutung sein, weshalb das Team mittlerweile auch mit weltweit führenden Pflanzungszüchtungsunternehmen kooperiert.

Nicht einfach: Laborarbeit unter Corona-Bedingungen

Ein Blick in die jüngere Vergangenheit – jetzt kommt das Thema Corona. Denn ohne geht es nicht im Gespräch mit einem Wissenschaftler, der schwerpunktmäßig im Labor arbeitet. „Die Pandemie hat die Planbarkeit unserer Arbeit verringert und uns deutlich eingeschränkt. Aber wir haben das Beste daraus gemacht, waren gleich zu Anfang sehr schnell, haben Pläne für Timeslots erstellt und schon vor allgemeinen Uni-Regelungen eine Lösung gefunden, wie wir unter den schwierigen Bedingungen noch am besten weiterarbeiten können. Schließlich habe man es mit lebenden Pflanzen zu tun, die durchgehende Pflege benötigen – „auch bei harten Lockdowns. Da kann man die Lampen nicht einfach ausschalten, dann gehen die Kulturen drauf. Für uns wäre das der Super-Gau gewesen.“

Arbeit mit Pflanzen im Labor
Spannende Forschung in der Arbeitsgruppe – für die Landwirtschaft der Zukunft kann sie von großer Bedeutung sein.
© Jonas Ginter / Innowi

Dennoch habe Corona dafür gesorgt, dass viele Projekte zeitlich „in Verzug“ gerieten, das sei vor allen Dingen für die Promovierenden in der Arbeitsgruppe wie auch für die Lehre eine große Herausforderung gewesen. „Wir mussten ja dafür Sorge tragen, dass die Lern- und Arbeitsgruppen auch im Home Office aktiv bleiben und uns nicht irgendwie verloren gehen“, fasst er die Herausforderung zusammen. Man habe deshalb versucht, etwas „Dynamik in die Lehre zu bringen“, um sie bei der Stange zu halten – „das ist nicht einfach, denn nach zwei oder drei Stunden am PC geht die Motivation und Konzentration steil nach unten.“

Erfolgreiche Arbeitsgruppe erhält reichlich Drittmittel

Der Erfolg von Rita Groß-Hardt und ihren Mitarbeitenden hat auch dafür gesorgt, dass es zahlreiche Preise und Förderungen für die Wissenschaftlerin und ihre Gruppe gab. Zuletzt erhielt man eine Zusage des European Innovation Council (EIC) über rund 2,5 Millionen Euro. Ein begehrter ERC Proof of Concept Grant gehört ebenfalls zu den Auszeichnungen. „Ziel unserer gegenwärtigen Arbeit ist es nun, mit Drei-Eltern-Kreuzungen bei Pflanzen eine neue Züchtungsstrategie für die Landwirtschaft zu etablieren“, sagt Thomas Nakel.

Er selbst profitierte von den Erfolgen und Förderungen auch dadurch, dass er mittlerweile eine unbefristete Stelle hat – für Nachwuchswissenschaftler keine Selbstverständlichkeit. Das nimmt den Druck aus der Karriereplanung. Dennoch ist es für den Wiener in Norddeutschland nicht ausgeschlossen, dass er sich noch weiter qualifiziert: „Eine Habilitation kann ich mir immer noch vorstellen.“ Ein eigenes Projekt verantwortet er neuerdings auch: In „Speed Robo Breed“, gefördert mit gesamt 240 000 € vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) wird in Zusammenarbeit mit dem Bremer Züchter Bock Bioscience, zu roboterassistierter Hochgeschwindigkeitszüchtung geforscht.

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