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Hotspot der Wasserstoffforschung

Die Stabilität der Stromnetze zu gewährleisten, ist eine der großen Herausforderungen der Energiewende.

Forschung / Nachhaltigkeit

Im Hydrogen Lab Bremerhaven (HLB) forschen Wissenschaftler:innen aus Mitgliedseinrichtungen der U Bremen Research Alliance daher daran, wie aus Windenergie erzeugter Wasserstoff die Versorgungssicherheit erhöhen kann. Davon profitiert auch die lokale Wirtschaft.

Drinnen im Hangar, in dem einst die Flugzeuge parkten, haben Techniker eine Verteilstation für den Strom aufgebaut. Draußen auf dem Vorfeld ist ein fußballplatzgroßes, umzäuntes Areal entstanden, unterteilt in zwölf Testfelder. Zwei längliche Wasserstofftanks stehen da, mehrere Container, die technisches Gerät enthalten, wie Elektrolyseure, Brennstoffzellen und Batteriespeichersysteme. Zudem sind zwei Blockheizkraftwerke zu sehen, Kompressoren, eine Leitwarte, außerhalb des Zauns drehen sich die Flügel einer Windenergieanlage.

Die Zeiten, in denen der 2016 geschlossene Flughafen Luneort südlich von Bremerhaven dem Verfall preisgegeben wurde, sind vorbei. Gefördert mit 16 Millionen Euro aus Mitteln des Landes Bremen und der EU hat das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES, eine der Mitgliedseinrichtungen der U Bremen Research Alliance, hier das HLB aufgebaut. Gleich nebenan auf dem Gelände entsteht ein Prüfstand für Umrichter, die die Umwandlung von elektrischer Energie zwischen unterschiedlichen Spannungs- oder Stromarten ermöglichen. Ein paar Hundert Meter die Straße herunter unterhält das IWES einen Prüfstand für Rotorblätter von Windenergieanlagen. „Wir bieten hier eine Forschungsinfrastruktur, die nicht alltäglich ist“, sagt Jannes Vervoort, Elektroingenieur und wissenschaftlicher Mitarbeiter am HLB. „Wir denken Windenergie und Wasserstoff gemeinsam.“

„Wir denken Windenergie und Wasserstoff gemeinsam.“

Der Wind bläst an der Küste fast immer – manchmal auch zu viel, was dazu führen kann, dass die zahlreichen Windenergieanlagen mehr Strom produzieren als die Netze verkraften können. Ist es, was selten ist, zu wenig und scheint dann auch die Sonne nicht um zur Energiegewinnung beizutragen, ist die Dunkelflaute perfekt. Die Schwankungen und die zunehmende Dezentralisierung der Stromerzeugung durch die Einbindung erneuerbarer Energien stellen hohe Anforderungen an die Stromnetze. „Wie man die Netze entlasten kann, ist für das Gelingen der Energiewende super wichtig“, betont Vervoort.

Der ehemalige Flughafen Bremerhaven-Luneort von oben
Der ehemalige Flughafen Bremerhaven-Luneort: Wo einst die Flieger Kerosin verbrannten, wird heute an einem umweltfreundlichen Energieträger geforscht.
© Jens Lehmkühler

Der grüne Wasserstoff wird hier eine Schlüsselrolle spielen. Grün heißt er deshalb, weil er klimaneutral überschüssigen Strom aus Windenergie speichern und durch Rückverstromung Bedarfsspitzen glätten kann. Das zumindest ist die Vision. Doch bevor sie Wirklichkeit werden kann, braucht es anwendungsorientierte Forschung, denn noch sind viele Fragen offen. Zum Beispiel die, was ein Betreiber zu beachten hat, der leistungsstarke Elektrolyseure an ein Netz anschließen will oder wie die Elektronik dieser Stoffumwandler, die mittels Strom Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten, aufgebaut sein müssen, um netzstabilisierend zu wirken. Vor allem das Zusammenspiel der fluktuierenden Stromeinspeisung aus Windenergie mit Elektrolyseuren ist im Hinblick auf deren elektrische Eigenschaften ein noch offenes Forschungsgebiet.

Jannes Vervoort
Forscht an der Stromeinspeisung per Windenergie: Jannes Vervoort, Elektroingenieur.
© Jens Lehmkühler

Standards und Normen für den Betrieb der Netze der Zukunft sollen im HLB entwickelt werden; das ist ein Ziel der Forschung. „Wir haben eine Testinfrastruktur geschaffen, die auch international alles andere als alltäglich ist, mit der wir ganz vorne dabei sind“, sagt Vervoort stolz. Ein eigenes Stromnetz haben die Wissenschaftler:innen aufgebaut, das vornehmlich aus Windenergie gespeist wird. Virtuell ist diese Strominsel mit dem Mittelspannungsnetz des Dynamic Nacelle Testing Laboratory“ (DyNaLab) des Fraunhofer IWES verbunden, der führenden Forschungseinrichtung für Netzintegrationstests für Windenergieanlagen in Deutschland. „So können wir Fehlerfälle wie Spannungseinbrüche simulieren und Belastungstests durchspielen ohne praktische Auswirkungen auf das Netz“, erläutert der 33-Jährige.

„Wir haben eine Testinfrastruktur geschaffen, die auch international alles andere als alltäglich ist.“

Vervoort hat schon als Student am Fraunhofer IWES gejobbt, als er in Bremerhaven seinen Master in Windenergietechnik absolvierte. „Mich haben die erneuerbaren Energien fasziniert, insbesondere die Großanlagen auf See mit ihrer Technik; auch die Nachhaltigkeit, wie sie am IWES praktiziert wird, ist mir wichtig“, erzählt er. Als „Abenteueringenieur“, wie er es selbst bezeichnet, hat er einige Jahre auch offshore in der Last- und Leistungsmessung gearbeitet, bevor er sich für das HLB engagierte. „Forschung ist genial. Es stellen sich immer neue Herausforderungen, es passiert sehr schnell sehr viel.“

So wird im HLB auch an der Meerwasserentsalzung geforscht, ein entsprechendes Becken befindet sich auf dem Gelände. Warum, so die Idee, sollte man nicht direkt an der Stromquelle auf hoher See Wasserstoff erzeugen, also Offshore-Windenergieanlagen und Elektrolyseure miteinander verbinden und den Wasserstoff dann per Pipeline an Land transportieren? Für die Elektrolyse aber muss das Meerwasser entsalzt werden, wofür wiederum Abwärme aus dem Elektrolyseur genutzt werden könnte.

Aus zehn Testfeldern besteht das Hydrogen Lab Bremerhaven. Die Forschung auf diesen Flächen kann unabhängig voneinander erfolgen oder auch gemeinsam betrieben werden. So kooperiert das Fraunhofer IWES eng mit dem Institut für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente der Universität Bremen (IALB), ebenfalls eine Mitgliedseinrichtung der U Bremen Research Alliance. „Wir ergänzen uns bestens“, sagt Vervoort. „Unsere Expertise liegt im Bereich der Teilkomponenten wie den Halbleitern, das IWES konzentriert sich eher auf Systemkomponenten“, ergänzt Johannes Adler, Oberingenieur am IALB.

Johannes Adler
Bringt seine Expertise mit ein: Johannes Adler, Oberingenieur am Institut für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente der Universität Bremen (IALB).
© Jens Lehmkühler

Gefördert mit zwei Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung baut das IALB eine Versuchsanlage zur Rückverstromung von grünem Wasserstoff auf, das vom HLB erzeugt wird. Sie besteht aus einem Blockheizkraftwerk und einem Batteriespeicher, die sich gegenseitig ergänzen: Während das Blockheizkraftwerk dauerhaft Strom liefert, besteht die Aufgabe der Batteriespeicher darin, dynamisch auf die fluktuierenden Bedarfe im Netz zu reagieren und kurzfristige Lastspitzen abzufangen.

Zwei Personen in gelber Warnweste vor dem Blockheizkraftwerk.
Das Blockheizkraftwerk ist Teil der Forschungsanlage.
© Jens Lehmkühler

„Das Stromnetz muss in jedem Augenblick genauso viel Strom erzeugen wie verbraucht wird“, erläutert Adler. Bisher haben die großen konventionellen Kraftwerke diese sogenannten Systemdienstleistungen ausgeführt. Im Netz der Zukunft müssen viele kleine regenerative Erzeuger diese Aufgabe übernehmen wie wasserstoffbetriebene Blockheizkraftwerke in Kombination mit Batteriespeicher. „Den Parallelbetrieb zu untersuchen und beide Technologien zu verschmelzen, ist Ziel der Rückverstromungsanlage“, sagt Adler. Dieser Parallelbetrieb ist auch wichtig für den Aufbau von Inselnetzwerken, also Stromnetze in Bergregionen, auf Inseln oder in entlegenen ländlichen Gebieten, die nicht mit anderen Netzen verbunden sind.

Mit der Offshore-Windenergie vor der Tür und der Forschung an Land soll sich Bremerhaven zu einem Kompetenzzentrum für Wasserstoff entwickeln.

Das Hydrogen Lab Bremerhaven ist zwar eine Strominsel, isoliert ist es aber nicht. Es ist eingebunden in die lokale Wirtschaft, die Forschung soll zum Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft in Bremerhaven beitragen. Rund eine Tonne grüner Wasserstoff pro Tag entsteht bei den Versuchen. Das farb- und geruchlose Gas wird in Drucktanks gespeichert und kann in das Gasnetz eingeleitet werden. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Verwendung zur Erzeugung synthetischer Kraftstoffe für Fahrzeuge, über Methanersatz für die Gasheizung von Gebäuden bis zum Ersatz fossiler Rohstoffe in der Industrie.

Wie zum Beispiel Wasserstoff statt Gas für die Herstellung von Broten und Brötchen eingesetzt werden kann, daran forscht das Technologie-Transfer-Zentrum (ttz) Bremerhaven. Der Dienstleiter arbeitet an der Entwicklung und Konstruktion eines Wasserstoffbackofens und erkundet darüber hinaus Einsatzmöglichkeiten für mit Wasserstoff angetriebene Fahrzeuge in der Logistik. Angestrebt wird etwa ein Einsatz in Bussen oder auch in der Schifffahrt.

Jannes Vervoort sitzt vor zwei PC-Bildschirmen und einem Laptop in der Leitwarte des Hydrogen Lab Bremerhaven
Schätzt die erneuerbaren Energien: Jannes Vervoort in der Leitwarte des Hydrogen Lab Bremerhaven.
© Jens Lehmkühler

Mit der Offshore-Windenergie vor der Tür und der Forschung an Land soll sich Bremerhaven zu einem Kompetenzzentrum für Wasserstoff entwickeln, weitere Projekte sind geplant. Die Dynamik, die in der Wasserstoffforschung steckt, wird auch am Flughafen Bremerhaven-Luneort noch sichtbarer werden. Die brachliegende Ankunftshalle soll zu Büros umgebaut werden.

Ein klimaneutraler Norden

Die Energiewende ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Um hier Lösungen zu erarbeiten, hat die Universität Bremen das „Bremer Forschungszentrum für Energiesysteme (BEST)“ gegründet. Unter dem Motto „Energie für Wirtschaft und Gesellschaft“ wird ein neuer wissenschaftlicher Schwerpunkt mit einer klaren Vision aufgebaut: einen klimaneutralen Norden mitzugestalten und möglich zu machen. Finanziert vom Land Bremen, führt das Netzwerk die Expertise der Universität Bremen, mehrerer Mitgliedseinrichtungen der U Bremen Research Alliance und weiterer Hochschulen zusammen und kooperiert eng mit der Industrie. Um Antworten auf komplexe Verknüpfungen von Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit, gesellschaftlicher Akzeptanz und Wettbewerbsfähigkeit zu finden, verfolgt BEST einen interdisziplinären Ansatz. Sprecherin des Netzwerkes ist Prof. Dr. Johanna Myrzik, Leiterin des Instituts für Automatisierungstechnik an der Universität Bremen.

Der Artikel stammt aus Impact - Dem Wissenschafts-Magazin der U Bremen Research Alliance

In der U Bremen Research Alliance kooperieren die Universität Bremen und zwölf Institute der bundländerfinanzierten außeruniversitären Forschung. Die Zusammenarbeit erstreckt sich über vier Wissenschaftsschwerpunkte und somit „Von der Tiefsee bis ins Weltall“. Das Wissenschafts-Magazin Impact gibt zweimal im Jahr spannende Einblicke in das Wirken der kooperativen Forschung in Bremen.

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