Mit KI das Kulturerlebnis der Zukunft gestalten
Das Uni-Startup Fabular führt Museen und Kultureinrichtungen ins digitale Zeitalter
Bahnbrechende Innovationen dank Künstlicher Intelligenz – davon profitieren nur Wirtschaft, Industrie oder Medizin? Mitnichten: Auch im Kulturbereich bietet sich das maschinelle Lernen an, um neue Wege der Wissensvermittlung zu gehen. Das an der Universität Bremen gegründete Startup Fabular zeigt, wie das geht: Es führt Museen und Kultureinrichtungen ins digitale Zeitalter.
Ins Museum oder in Kunstausstellungen gehen, um durch die Flure zu wandeln, sich die Exponate oder Gemälde anzusehen und dabei erläuternde Texte zu studieren? Immer weniger Menschen tun das. „Viele Kulturinstitutionen kämpfen mit sinkenden Besucherzahlen. Der Grund liegt auch darin, dass sie keine modernen Technologien nutzen“, sagt Dr.-Ing. Leonardo de Araújo. Der Gesellschafter des Uni-Startups Fabular weiß, dass sich gerade jüngere Generationen nur noch schwer auf traditionelle Ausstellungsarten von Kunst, Natur- und Kulturerbe einlassen können: „Sie wollen interagieren und nicht nur Zuschauer sein.“
Den Schatz heben – mit KI
Gleichzeitig sitzen die Kulturinstitutionen auf einem ungehobenen Schatz. Denn sie können gar nicht alles ausstellen, was sich in ihrem Bestand befindet. In riesigen Archiven sind unzählige Objekte gelagert. „Oftmals sind diese Sammlungen auch digitalisiert worden. Aber die Kulturinstitutionen haben in der Regel keine praktikablen Lösungen, um die ‚inneren Werte‘ der verborgenen Schätze auch zu nutzen“, so de Araújo.
Jetzt gibt es für diese Problematik eine Lösung – nämlich eine multifunktionale Software von Fabular. Sie hilft, die digitalisierten Artefakte, Kulturgüter und Kunstwerke zu organisieren und zu analysieren. Dabei werden neue Informationen und Strukturen entdeckt und inhaltliche Beziehungen sowie interessante Erzählungen und Interpretationen gefunden. „Die können dann wiederum in innovativen museums- und kulturpädagogischen Apps für ein spannendes Edutainment-Erlebnis der Besucherinnen und Besucher sorgen“, sagt Nina Hentschel. Sie bildet zusammen mit de Araújo und Hanna Blonska derzeit das Fabular-Team. „Unsere Software kombiniert die modernsten Algorithmen zur Verarbeitung natürlicher Sprache mit den Inhalten von Wissensdatenbanken. Kuratoren und Forschern kultureller Institutionen werden dadurch bedeutende Einblicke in ihre digitalen Sammlungen und interessante Entdeckungen ermöglicht.“
Herzstück: Software aus der Doktorarbeit
Das Herzstück Fabulars ist die Softwareplattform ArtfactsCloud. Ihre Wurzeln hat sie in der Doktorarbeit, die Leonardo de Araújo im Herbst 2018 am Technologie-Zentrum für Informatik (TZI) der Universität abgeschlossen hat. In der Arbeit erforschte er, welche Auswirkungen die wachsende Digitalisierung und das damit verbundene Datenvolumen auf neue Arten der Kulturerbe-Interpretation und das gesteigerte Bedürfnis für Softwarelösungen im Kulturbereich hat.
Schon während seiner theoretischen Untersuchungen hat Leonardo de Araújo die ArtfactsCloud-Plattform einem intensiven Praxistest unterzogen, mit dem er die Funktionalität nachwies. Nach der Analyse von 35.000 Karteikarten der Reichsvereinigung der Juden zu Berlin und mehr als 8.000 Personendaten aus dem Archiv des Stolpersteine e.V. bauten de Araújo und Nina Hentschel einen Chatbot. Dieser erlaubte es den Nutzerinnen und Nutzern, im Berlin der 1940er-Jahre auf den Spuren jüdischer Kinder zu wandeln. „Dabei kann man ihren Geschichten lauschen und ihre Schicksale durch Multimediainhalte kennenlernen“, sagt Hanna Blonska, die ebenfalls zum Fabular-Team gehört.
Das aktuelle Pilotprojekt Fabulars befasst sich mit der Datenintegration und -analyse der digitalen Sammlung des Landesmuseum Hannover. „Dabei analysiert unsere Softwareplattform 12.000 Datensätze aus vier Abteilungen und erkennt inhaltliche Verbindungen von Objekten und Künstlern. Die von unserer Software identifizierten Verknüpfungen sollen den Kuratoren des Museums helfen, fachübergreifende Schnittmengen und Berührungspunkte einfacher zu erfassen und zu erforschen“, so Blonska. Hinzu komme, dass die digitale Sammlung des Landesmuseum Hannovers mit den Wikidata angereichert wurde und somit der Informationsumfang – insbesondere in Hinblick auf die Kategorisierung von Objekten, Objektformen, Epochen und Stilrichtungen – ebenso wie die Anzahl der möglichen Informations- verknüpfungen erhöht wurde. Hanna Blonska: „Das Erstellen von spannenden Erzählungen für Sonderausstellungen und Multimediaguides wird so deutlich vereinfacht.“
Unterstützung durch den LEMEX
Im Moment befindet sich Fabular – unterstützt durch das EXIST-Gründerstipendium – in der Aufbauphase, um die Geschäftsidee auf sichere Beine zu stellen. Diese Förderung läuft noch bis April 2020, dann erfolgt endgültig der Start als eigenständiges Unternehmen. Betreut wird Fabular in der jetzigen Phase durch den Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship (LEMEX) der Universität Bremen, geleitet von Professor Jörg Freiling.