Neue Energiequelle aus dem All? – Weltraumstrahlung als Chance für Raumfahrt und Erde
Ein Forschungsteam entwickelt Materialien, die Weltraumstrahlung in Energie umwandeln und gleichzeitig Schutz bieten sollen
Weltraumstrahlung gilt als Gefahr, doch Forschende sehen darin auch Potenzial: Materialien. Ein Interview mit dem Chemiker Tim Neudecker von der Uni Bremen zu neuen Verbundwerkstoffen, die Strom erzeugen und gleichzeitig vor Strahlung schützen könnten.
Professor Neudecker, welche Rolle spielt Weltraumstrahlung als potenzielle Energiequelle, und wie könnte diese in Zukunft zur Energiegewinnung genutzt werden?
Weltraumstrahlung wird bei Weltraummissionen grundsätzlich als Störfaktor angesehen. Und das zu Recht, denn sie ist gefährlich für Menschen und sie schädigt Materialien, wenn diese länger der Strahlung ausgesetzt sind. In der Weltraumstrahlung steckt allerdings auch Energie, die potenziell - ähnlich wie in einer Solarzelle - als Stromquelle verwendet werden könnte. Wenn es ein geeignetes Material gäbe, das für die Energiegewinnung aus der Weltraumstrahlung verwendet werden könnte, so ließe sich in Satelliten oder während Weltraummissionen zusätzliche Energie erzeugen.
Welche Technologien und Materialien werden im Projekt entwickelt, um sowohl Schutz vor Weltraumstrahlung zu bieten als auch deren Energie für elektrische Zwecke nutzbar zu machen?
Die Idee des Projekts besteht in der Kombination aus keramischen Werkstoffen und Polymeren, also Kunststoffen. Werden diese Materialien miteinander in Kontakt gebracht, soll sich durch die Weltraumstrahlung Strom erzeugen lassen. Bisher haben wir gelernt, wie Weltraumstrahlung auf Materialien wirkt: Geladene Teilchen dringen in die Oberfläche ein und bleiben schließlich im Material stecken. Die große Herausforderung ist, dass die Materialien trotz dieses ständigen Bombardements stabil bleiben und weiterhin funktionieren.
Welche Vorteile könnten die neuen keramischen und polymeren Verbundmaterialien in der Weltraumforschung und möglicherweise auch für Anwendungen auf der Erde bringen?
In der Weltraumforschung sollen die Materialien einen effizienten Schutz von Menschen und Technologien vor Weltraumstrahlung bieten. Zudem lässt sich durch den erzeugten Strom die aktuelle Strahlendosis messen und der Strom zusätzlich zur Energieerzeugung nutzen. Auch auf der Erde könnten solche Materialien für Messungen der Strahlendosis, verbunden mit einem effizienten Strahlenschutz, genutzt werden.
Zur Person
Professor Tim Neudecker ist Leiter des Forschungsprojekts „Materials to harvest energy from space radiation“. Seine Arbeit verbindet die Fachrichtungen Materialwissenschaften, Raumfahrttechnik und Theoretische Chemie. Im Projekt arbeiten Forschende der Uni Bremen, dem Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung sowie mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zusammen.