Vom Online-Seminar zur gemeinsamen europäischen Veranstaltung
Blended-Intensive-Programs (BIPs) bieten Lehrenden innovative Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit und Lernenden die Teilnahme an intensiven Kurzzeitprogrammen im In- und Ausland
International, intensiv und im Online- und Präsenzformat müssen hochschulübergreifende, durch Erasmus geförderte Blended-Intensive-Programs (BIPs) sein. Dr. Dennis Redeker vom Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) koordinierte das erste BIP an der Universität Bremen mit sieben europäischen Partnern. Bei up2date. berichten der Organisator und teilnehmende Studierende über ihre Erfahrungen mit dem Programm.
Herr Redeker, was ist ein Blended-Intensive-Program (BIP) und was wird durch Erasmus+ gefördert?
Blended-Intensive-Programs erfordern, dass mindestens drei Erasmus+ förderfähige Hochschulen mit Studierenden und Lehrenden in einem “blended” Format, also virtuell und vor Ort, zusammenarbeiten. Die Themen sind frei wählbar. Dies kann zum Beispiel eine Sommer- oder Winterschule, eine Exkursion, ein Staff Event oder sonstige gemeinsame intensive Lehrveranstaltungen für Studierende, Doktorand:innen oder Hochschulmitarbeitende sein. Die Teilnahme an einem BIP ist auch eine gute Möglichkeit für Personen, die nicht für ein ganzes Semester ins Ausland gehen können oder wollen, Auslandserfahrung zu sammeln.
Was die Finanzierung betrifft, so kann die koordinierende Hochschule Mittel für die Organisation und Durchführung des BIPs beantragen. Studierende und Mitarbeitende, die für die Teilnahme an einem BIP ins Ausland reisen, können einen Mobilitätszuschuss und gegebenenfalls einen Reisekostenzuschuss aus dem Erasmus+ Budget ihrer Heimathochschule erhalten. Wer ein BIP koordinieren oder daran teilnehmen möchte, sollte sich an das International Office wenden.
Wie ist die Idee für Ihr BIP an der Universität Bremen entstanden?
Seit 2019 koordiniere ich ein Forschungsnetzwerk im Bereich Digital Governance, das Digital Constitutional Network. Das Netzwerk vereint mehr als 50 Mitglieder aus verschiedenen Disziplinen von Universitäten in aller Welt, die sich alle mit dem Thema Digital Constitutionalism beschäftigen, also mit Menschenrechten und wie diese im digitalen Zeitalter umgesetzt werden können.
Während der Pandemie haben wir im Netzwerk begonnen, gemeinsame Online-Lehrformate zu entwickeln. Wir hatten also schon die Lehre und als dann die Erasmus-Förderung von Kurzzeitmobilitäten durch das BIP herauskam, hatten wir die Möglichkeit, unsere Online-Lehre durch eine Präsenzphase zu ergänzen, so dass sich die Studierenden auch mal persönlich treffen konnten. Die Studierenden mussten sich an ihren Heimathochschulen für ihre Teilnahme an dem Programm bewerben und verbrachten im April 2024 eine Woche in Bremen. Davor und danach fanden ergänzend fünf Online-Termine statt. Teil der Präsenzphase war auch ein gemeinsames Rahmenprogramm mit Rathausführung und gemeinsamen Abendessen. Am Bremer BIP-Programm waren sieben andere Hochschulen beteiligt: die University of Padua, Dublin City University, University of Salerno, University of Helsinki, University of Groningen, University of Klagenfurt und die Tallinn University. Insgesamt nahmen etwa 30 Studierende und zehn Lehrende am Programm teil, dazu kamen noch zwei Referentinnen aus der Politik-Praxis. YUFE-Studierende konnten ebenfalls teilnehmen.
Um welche Themen ging es in Ihrem BIP?
In unserem BIP ging es um den Global Digital Compact (GDC), der derzeit auf UN-Ebene verhandelt wird. Dabei handelt es sich um ein Rahmenwerk, das gemeinsame Prinzipien für digitale Technologien und deren Regulierung definieren soll. Während der Woche verfolgten wir die Verhandlungen live und analysierten die Prozesse und Texte. In hochschulübergreifenden interdisziplinären Arbeitsgruppen verfassten die Studierenden “Policy Briefs”. Dabei handelt es sich um Kommentare zu spezifischen Problemen im Zusammenhang mit dem GDC, wie zum Beispiel Gesichtserkennung oder Geschlechtergerechtigkeit. Spannend wird es für die Studierenden natürlich, wenn der GDC verabschiedet wird, zu sehen, worauf sich die Staaten geeinigt haben und inwieweit dies theoretisch und praktisch mit Digital Constitutionalism zusammenhängt. Ein Highlight war sicher auch die Integration des European Dialogue on Internet Governance (EuroDIG) in das BIP-Programm; Studierende hatten die Gelegenheit einer einschlägigen Policy-Konferenz auf europäischer Ebene virtuell zu folgen. Für die Zukunft wäre es mein Wunsch Studierende im Rahmen eines Erasmus+-Programms direkt zu einer solchen Konferenz zu bringen, um das Lernen noch stärker in der Praxis zu verankern.
Wie Studierende das BIP an der Uni Bremen erlebt haben, schildern sie hier:
Wenn jemand Interesse hat, ebenfalls ein BIP zu organisieren, was ist dabei zu beachten?
Wesentlich für die Planung ist es, dass man sich auf die Partner, mit denen man das BIP organisiert, verlassen kann und eine Vertrauensebene hat. Wichtig ist auch, dass es mindestens zwei weitere Partner gibt und diese sich im europäischen Ausland befinden, damit die Finanzierung über Erasmus+ erfolgen kann.
Da die Teilnehmenden von den Partneruniversitäten für die Woche nicht an der Universität Bremen eingeschrieben werden, haben sie auch keinen Zugang zur Universitäts-IT und zu Stud.IP. Damit die Online-Lehre trotzdem funktioniert, haben wir ein eigenes Tool entwickelt, mit dem wir alternativ gearbeitet haben. Bei Interesse stellen wir dieses gerne für zukünftige BIPs zur Verfügung.
Für die Organisation und Durchführung eines BIPs gibt es lokale Mittel, die beim International Office beantragt werden. Diese können für die Einstellung von studentischen Hilfskräften, für die Raummiete, aber auch für Catering oder ein gemeinsames Abendessen verwendet werden. Dabei ist zu beachten, dass die Finanzierung nur dann möglich ist, wenn in diesem Jahr mindestens 15 und ab dem nächsten Jahr mindestens 10 Teilnehmende aus den europäischen Partnerhochschulen am BIP teilnehmen. Teilnehmende aus Bremen zählen hier nicht mit. Erst wenn diese Zahl erreicht ist, kann es bei 15 Teilnehmenden 6.000 Euro und bei 20 Teilnehmenden 8.000 Euro für die Organisationskosten geben. Ein Risiko bei diesem Modell ist natürlich, dass Studierende in letzter Minute ausfallen – Krankheit, Praktikum oder ein weiterer Prüfungsversuch. Deshalb sollte man das BIP für eine höhere Teilnehmenden-Zahl planen. Die Teilnehmenden der Partnerhochschulen beantragen ihre Mobilitätsförderung für Kurzzeitmobilitäten an ihren Heimathochschulen. In Bezug auf all diese formellen Fragen wurde ich wirklich sehr gut von Barbara Hasenmüller und Mathias Bücken vom International Office der Uni beraten, sodass am Ende alles auch finanziell hingekommen ist. Da es sich um das erste BIP an der Universität handelte, musste tatsächlich auch richtig viel im Hintergrund neu programmiert werden.
Insgesamt kann ich sagen, dass es kein geringer Aufwand ist, ein BIP zu organisieren und dass es dafür in der Regel auch keine Freistellung gibt. Deshalb war es für mich wichtig, dass ich es mit meinen eigenen Lehrverpflichtungen verbinden konnte. Aber man macht es natürlich nicht nur deswegen, sondern auch, weil es Spaß macht, die Leute zu empfangen, Bremen zu zeigen und die Universität Bremen zu präsentieren. Vor allem ist es auch ein neues Format, das einem viele Freiheiten lässt. Wir gehen mit unserem BIP gerne als Beispiel voran und stehen für einen Austausch zur Verfügung, wenn jemand Interesse hat, ein eigenes BIP auf die Beine zu stellen.