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Wie Transfer den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft gestaltet

Es ist die dritte Mission der Universität: Der Austausch mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft

Uni & Gesellschaft

Transfer an Hochschulen dreht sich seit langem um mehr als Gründungen und Patente. Im Zentrum steht die Gesellschaft: Vor welchen Herausforderungen steht sie? Welches Wissen braucht sie, um sich diesen zu stellen? Und welche Impulse kann sie selbst an die Forschung geben? Seit Ende 2023 leitet Anne-Kathrin Guder den Bereich UniTransfer und berichtet in up2date. von ihrem ersten Jahr.

Frau Guder, seit November 2023 leiten Sie den Bereich Transfer an der Universität Bremen. Wie haben Sie das erste Jahr erlebt?

Mit meinem Team konnte ich zum Beispiel weitere Maßnahmen aus der Transferstrategie der Universität Bremen umsetzen. So wurde erstmals der Transferpreis der Universität Bremen vergeben, was dazu beigetragen hat, die vielfältigen Transferaktivitäten der Universität sichtbarer zu machen
Die Universität Bremen ist seit ihrer Gründung sehr transferorientiert. Gesellschaftliche Verantwortung sowie der Dialog mit der Gesellschaft, Kultur, Bildung, Politik und Wirtschaft sind hier schon lange selbstverständlich. Die zentrale Verankerung dieses Themas zeigt sich unter anderem auch im neuen Leitbild der Universität. An den aktuellen Herausforderungen der Zeit können wir ablesen, wie wichtig dies ist: Das an den Universitäten entwickelte Wissen wirkt in ganz vielen Bereichen in unser Leben hinein. Dies nach innen und außen noch sichtbarer zu machen, ist mir ein wichtiges Anliegen.

Auf welche Erfolge können Sie schon zurückblicken?

Mit dem innovate! Zentrum“ konnten wir einen großen Erfolg verbuchen. Das Zentrum wird Forschungsergebnisse schneller zur Markreife führen. Dazu sind wir mit drei Projekten gestartet. In einem Projekt werden Zink-Ionen-Batterien besonders schnell hergestellt. Dies ist wichtig für den Ausbau von Solar- und Windenergie. In einem anderen Projekt werden Proteine für nachhaltige Futtermittel in der Aquakultur erzeugt. Sie sind zentral, um Fischmehl zu ersetzen und so die Überfischung natürlicher Bestände zu reduzieren. Im dritten Projekt werden neuartige Sensoren entwickelt, die eine sichere Speicherung und den verlässlichen Transport von Wasserstoff gewährleisten. Im Bewerbungsprozess haben wir uns gegen 17 Konkurrenten durchgesetzt und erhalten eine Förderung von knapp 30 Millionen Euro von der Joachim Herz Stiftung. Ein großer Erfolg, vor allem, weil wir das Projekt unter großem Zeitdruck umgesetzt haben. Das Zentrum wird hier in einem sehr aktiven Innovations-Ökosystem optimal agieren können, in enger Kooperation mit UniTransfer.

Dr. Daniel Otero Baguer (aisencia GmbH), Ali Alam (Constructor University), Ole Bast (Referent für Startups und Kultur- und Kreativwirtschaft, Bremen), Meike Goos, Rektorin Jutta Günther, Anne-Kathrin Guder (Universität Bremen), Franziska Gloeden, Dr. Tin
Dr. Daniel Otero Baguer (aisencia GmbH), Ali Alam (Constructor University), Ole Bast (Referent für Startups und Kultur- und Kreativwirtschaft, Bremen), Meike Goos, Rektorin Jutta Günther, Anne-Kathrin Guder (Universität Bremen), Franziska Gloeden, Dr. Tino Uhlendorf (Universität Oldenburg) (v.l.n.r.)
© Universität Bremen

Außerdem haben wir die Entwicklung der hoi-Startup gemeinsam mit der Universität Oldenburg und sieben weiteren Hochschulen aus der Region angestoßen. Unser Ziel ist es, die Gründungsförderung in Bremen und Niedersachsen zu verbinden. Mit der Startup Factory unterstützen wir Startups in der Gründungs- und Wachstumsphase,begleiten sie so komplett durch ihre gesamte Startup Journey und rücken die Gründungspersönlichkeiten in das Zentrum unseres Handelns. Anstatt einzelne Angebote an verschiedenen Orten zu bieten, bündeln wir alles in einem regionalen, institutionenübergreifenden Team. Das oldenburgische Gründungs- und Innovationszentrum (GIZ) und BRIDGE – Gründen aus Bremer Hochschulen, angesiedelt bei uns im Transferbereich, haben sich gemeinsam mit ihren Partner:innen im bundesweiten EXIST-Wettbewerb durchgesetzt. Als eines von 15 Projekten in Deutschland starten wir nun die Konzeptphase und hoffen natürlich, dass wir auch diese erfolgreich bestehen. Die Kooperation und Nähe, die durch die gemeinsame Bewerbung bereits entstanden sind, werden uns aber in jedem Fall erhalten bleiben und verbessern schon jetzt die Startup-Förderung in der Region.

Eine Herzensangelegenheit war und ist uns auch der Transferpreis, den wir 2024 zum ersten Mal vergeben haben. Mit dem Preis werden Projekte gewürdigt, durch die wissenschaftliche Erkenntnisse in der außeruniversitären Welt Wirkung entfalten. Der Preisträger ist DENCAI, eine Software für die Untersuchung und Bekämpfung von Dengue-Infektionsausbrüchen. Sie wurde gemeinsam mit Studierenden entwickelt. Aber auch die anderen neun nominierten Projekte sind herausragende Beispiele für erfolgreichen Transfer. Wir freuen uns, dass wir den Preis 2026 erneut vergeben können und hoffen auf viele Bewerbungen aus der Universität.

Bild 1/10 DENCAI – DENgue CAse Investigation: In Kooperation mit der Mahidol University in Bangkok wird eine Software für die Untersuchung und Bekämpfung von Dengue-Infektionsausbrüchen entwickelt. Eine Dengue-Diagnose erfordert eine umgehende Untersuchung von Ort und Umständen der Diagnose, um z.B. vorhandene Mückenpopulationen umgehend zu bekämpfen. Durch die Software wird die zeitkritische Organisation solcher Maßnahmen stark beschleunigt. Sie wird an der Universität Bremen von Informatik-Studierenden in Rahmen von Lehrveranstaltungen entwickelt. Das Projekt belegte den ersten Platz beim Transferpreis 2024. Auf dem Bild: Professor Michal Kucera (rechts), Konrektor für Forschung und Transfer, gratuliert dem Projektverantwortlichen Dr. Thomas Barkowsky.
© i2b/ Alexander Flöge
Ein Gruppe steht auf eine Brücke und lächelt in die Kamera.
Bild 2/10 Industriemathematik: Mathe x(mal) Anders: Mathematik wird oft als schwierig und weltfremd empfunden, was zu Frustration bei Schülern, Lehrern und Studierenden sowie brachliegendem Potential in Industrie und Wirtschaft führt. Das Projekt besteht aus zahlreichen Einzelmaßnahmen, die gemeinsam darauf abzielen a) mathematische Forschungsergebnisse effektiv in die Industrie zu transferieren, b) nachhaltige und ressourceneffiziente Technologie sowie innovative Lösungen zu entwickeln und c) das Verständnis und die Akzeptanz von Mathematik in der Gesellschaft zu erhöhen.
© TOPAS gGmbH
Drei Personen lächeln in die Kamera und zeigen eine Urkunde
Bild 3/10 future concepts Bremen (fcb): fcb ist ein praxisorientiertes Lehrformat am Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship (LEMEX) der Universität Bremen. Jedes Semester kommen Studierende, Praxispartner:innen und Wissenschaftler:innen zusammen, greifen verschiedene Fragestellungen der unternehmerischen Praxis auf und entwickeln Lösungskonzepte. Studierende können erste unternehmerische Erfahrung während ihres Studiums zu sammeln und Kontakte zu potenziellen Arbeitgeber:innen knüpfen. Praxispartner:innen werden bei der Entwicklung innovativer Geschäfts- und Organisationskonzepte unterstützt und erhalten Zugang zu zukünftigen Fachkräften.
(v.l.n.r.): Leon Marquardt, Silke Melzer-Counen, Jörg Freiling bei der Verleihung des Transferpreises 2024
© Alexander Flögel
Eine Gruppe an Menschen steht auf einer Bühne und winkt.
Bild 4/10 Weltkorallenriffkonferenz 2022: Die 15. Internationale Weltkorallenriffkonferenz ICRS 2022 wurde in Bremen durchgeführt. Sie hatte ein umfassendes Transferkonzept für die zielgerichtete Kommunikation des internationalen Forschungsstands an Zielgruppen in Politik und Gesellschaft. Ein Strategiepapier mit drei Forderungen der Wissenschaft wurde für die Politik vorgestellt, unterstützt durch eine Dialog-Veranstaltung. Medien wurden über Pressemitteilungen und Konferenzen informiert, und zahlreiche Interviews wurden gegeben. Für die Öffentlichkeit wurden Ausstellungen und Vortragsreihen organisiert.
© Thomas Hellmann
Zwei Forscherinnen sitzen vor einem Mikroskop.
Bild 5/10 MeerEssen – Sind Algen und Co. die Zukunft auf unseren Tellern? Im Rahmen des Projekts Meer-Essen wurden Unterrichtsmodule entwickelt und durchgeführt, in denen Schüler:innen in einem dreistündigen Experimentierkurs im Schullabor Chemie ein Verständnis für Algen als Nahrungsmittel entwickeln. Sie erkunden die Vielfalt, Photosynthese und Umwelteinflüsse auf Algen, sowie deren Inhaltsstoffe, und probieren Algenprodukte beim Algenbüffet. Ziel ist es, den Schüler:innen wissenschaftliches Arbeiten näherzubringen und sie zu motivieren, eine Karriere im wissenschaftlichen Bereich in Betracht zu ziehen. Lehrer:innen wurden fortgebildet, um das Thema optimal in den Unterricht einzubinden.
v.l.n.r.: Dr. Lara Stuthmann (Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung) und Dr. Martina Osmers (Universität Bremen)
© Jochen Osmers
Ein Fahrradfahrer fährt auf einem Fahrradweg hinter anderen Fahrrädern her.
Bild 6/10 Urban Data Challenge Hamburg: Das Urban Data Challenge-Projekt entwickelt ein Analyse-Dashboard zur Untersuchung von Mikromobilitätsströmen in Hamburg. Der Prototyp kombiniert öffentliche und private Daten, einschließlich Ampelzeiten, Wetterdaten sowie Mobilitätsdaten von Unternehmen wie Bolt. Durch den Einsatz von statistischen Analysen, KI und qualitativen Umfragen wird eine innovative Datenintegration und grafische Darstellung ermöglicht. Das Projekt unterstützt den Ausbau der Fahrradinfrastruktur in Hamburg und fördert den verantwortungsvollen Datenaustausch zwischen verschiedenen Akteuren im Rahmen des Programms “The New Hanse”.
© Adobe Stock / Kara
Drei Personen sitzen beieinander und unterhalten sich.
Bild 7/10 globale° – Festival für grenzüberschreitende Literatur: Die Kooperation zwischen dem Literaturfestival globale und der Universität ermöglicht es, praxisbezogene und gesellschaftlich verantwortliche Transferfelder im Bereich FB 10 zu integrieren. Sie verbindet Forschung und Lehre und deckt Bereiche wie Schule und Weiterbildung, Beratung, Wissenschaftsdialog und co-kreative Projekte ab. Praxisbezug wird durch den Austausch mit Autor:innen und internationalen Festivalleiter:innen geschaffen, während gesellschaftliche Verantwortung durch das Engagement gegen Diskriminierung und für Diversität gezeigt wird.
v.l.n.r.: Saša Stanišić und Dr. Ina Schenker
© Matej Meza
Drei Personen sitzen gemeinsam an einem Tisch und unterhalten sich über die Papiere, die auf dem Tisch liegen.
Bild 8/10 Citizen-Science-Projekt “Gemeinsam Gesellschaft erforschen” (GINGER): Ginger beteiligt in vielfältigen Beteiligungsoptionen Menschen ohne direkte akademische Anbindung am Forschungsprozess zum Thema „gesellschaftlicher Zusammenhalt“. Dies umfasst Kinder, Jugendliche, Erwachsene sowie marginalisierte Gruppen, die ihre Perspektiven und Expertisen einbringen. Im Dialog diskutieren die „Gesellschaftsforscher:innen“ existierende Forschungsmodelle von Zusammenhalt, formulieren Forschungsfragen, entwickeln Erhebungen, interpretieren Forschungsdaten und bereiten Ergebnisse für verschiedene Zielgruppen auf.
© Jasper Wessel
Ein Selfie von zwei Herren, die in die Kamera lächeln.
Bild 9/10 Noerdman: Noerdman ist ein Webcomic, und auf sozialen Medien wie Twitter/X, Instagram, Facebook, YouTube, TikTok, Bluesky, Mastodon und LinkedIn unter #noerdman aktiv. Der Fokus liegt auf humorvoller und informativer Auseinandersetzung mit Themen des digitalen Alltags, wie Sicherheit und Künstliche Intelligenz. Das Projekt thematisiert, wie Technologie unseren Alltag beeinflusst und wagt einen Blick in die Zukunft.
© Rolf Drechsler
Drei Personen sitzen vor ihrem Podcast-Equipment und lächeln in die Kamera.
Bild 10/10 Digital Public Health Podcast: Der “Digital Public Health Podcast” führt durch die Welt der digitalen Transformation im Gesundheitswesen – ein Bereich, der gleichermaßen von Innovationen und Herausforderungen geprägt ist. In Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und der Start-up-Welt werden die Chancen digitaler Gesundheitslösungen beleuchtet und die damit verbundenen Risiken diskutiert – von Datenschutzproblemen bis zu Ungleichheiten im Zugang. Der Podcast bietet fundierte Einblicke und soll zum Nachdenken über die Gestaltung einer ethisch vertretbaren, gerechten und nachhaltigen digitalen Gesundheitslandschaft anregen.
© Maren Emde

Welche Transferprojekte erwarten uns in der Zukunft?

Wir werden natürlich vieles weiterentwickeln. Der Transfer ist ein Bereich, der in den letzten Jahren an den Universitäten enorm an Bedeutung gewonnen hat und vielfältigen Veränderungen unterliegt. In die Gesellschaft zu wirken, ist dabei ein wichtiges Anliegen. Darauf möchte ich mit meinem Team im Sinne der Universität Bremen optimal reagieren können. Darum ist mir auch der interne Strategie-Prozess mit meinem Team sehr wichtig. Besonders freue ich mich auf einen Bereich, den wir neu entwickeln: Wir besetzen zum Sommer eine Stelle für den Bereich Partizipation und Public Engagement. Die Aufgabe dieser Stelle wird es sein, Formate zur Bürgerbeteiligung zu entwickeln. Dafür steht uns mit der Kassenhalle im Domshof ein toller Ort zur Verfügung – im Herzen von Bremen, für die Bürgerinnen und Bürger leicht erreichbar. Mithilfe der Bürgerinnen und Bürger möchten wir Impulse für die Wissenschaft einholen, aber auch die Technologie- und Wissenschaftsakzeptanz in der Bevölkerung erhöhen. Das können dann Formate sein, die die Menschen einmalig besuchen, aber es wird auch Projekte geben, in denen sich die Menschen langfristig einbringen können.

Blick in die Kassenhalle in Richtung Haupteingang im Gebäude Forum am Domshof.
Die Kassenhalle wird zukünftig auch für Veranstaltungen mit Bürger:innenbeteiligung genutzt.
© Felix Clebowski / Universität Bremen

Darüber hinaus arbeiten wir an vielen weiteren Themen, um Transfer an der Uni noch mehr nach vorne zu bringen: Unsere Praxisbörse wird zukünftig noch mehr Studierende aus unterschiedlichen Disziplinen ansprechen und den Blick auf nachhaltig agierende Arbeitgeber:innen lenken. Bundesweit sind wir die drittmittelstärkste Universität im Bereich Transfer. Das möchten wir natürlich beibehalten. Um unsere dritte Mission nach innen und außen besser zu kommunizieren, überarbeiten wir gerade unseren Transferbericht. Er soll einen ganz neuen Look bekommen und vor allem gut lesbar sein. Durch unseren Transferbeirat und die Transferbeauftragten in den Fachbereichen bekommen wir außerdem regelmäßig gute Impulse, welche Aktivitäten wir noch verstärken oder neu aufnehmen können. Über einen Mangel an Themen können wir uns also nicht beklagen – und ich bin gespannt, was die Zukunft für uns bereithält.

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