„Wir müssen zurzeit oft Feuerwehr spielen“
Die Universität Bremen hat jetzt einen Chief Digital Officer – kurz: CDO. Er soll den Digitalisierungsprozess vorantreiben. Doch was passiert, wenn der Coronavirus alles extrem beschleunigt?
Seit April ist Professor Andreas Breiter der erste Chief Digital Officer der Universität Bremen (CDO). Der Professor für Angewandte Informatik und Leiter des Instituts für Informationsmanagement Bremen (ifib) ist Experte für digitale Transformationen von Bildungseinrichtungen. Auch die Strukturen der Uni kennt der 51-Jährige gut. Denn davor war Breiter knapp fünf Jahre lang Konrektor für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Transfer. Gemeinsam mit dem Kanzler, dem Konrektor für Lehre und Studium und den Serviceeinrichtungen auf dem Campus koordiniert er den gesamten Digitalisierungsprozess der Universität. Im Interview berichtet Breiter von den Herausforderungen und Chancen, die die Corona-Krise mit sich bringt und ob sich auch Studierende am Digitalisierungsprozess beteiligen können.
Herr Breiter, was sind zurzeit Ihre dringlichsten Aufgaben?
Dass das erste digitale Semester möglichst reibungslos verläuft. Diese Situation ist für alle Beteiligten eine extrem große Herausforderung und wir wollen ihnen hierfür eine möglichst hohe Flexibilität bieten. Zurzeit konzentrieren wir uns vor allem auf den Ausbau zentraler Infrastrukturkomponenten, wie zum Beispiel Stud.IP. Diese Lehr- und Lernplattform ist für die Arbeit der Studierenden und Lehrenden essentiell. Wenn viele gleichzeitig zugreifen, ist das System jedoch schnell überlastet. Deswegen erhöhen wir die Speicherkapazitäten, damit Studierende und Lehrende alle Dokumente und Lernmedien dort hinterlegen und abrufen können. In diesen Bereichen bessern wir intensiv nach. Gleichzeitig haben wir weitere Lizenzen für die Videoplattformen StarLeaf und Zoom gekauft, damit alle Seminare und Meetings der Universität online stattfinden können. Zudem versuchen wir die verschiedenen Serviceangebote für Studierenden auch online und über das Homeoffice zu ermöglichen. Darüber hinaus haben wir zurzeit durch das erhöhte digitale Arbeiten einen viel größeren Datenverkehr, für den wir die Technik kontinuierlich ausbauen.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit auf dem Campus konkret aus?
So ein umfangreiches Notfall-Projekt gelingt nur, wenn man sich innerhalb der Universität mit allen Beteiligten schnell abstimmt. Dementsprechend bin ich zum Beispiel im Austausch mit dem Zentrum für Netze (ZfN), dem Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) und der Medienstelle. Regelmäßige Treffen habe ich natürlich auch mit dem Konrektor für Lehre und Studium, dem Referat Lehre und Studium sowie dem Kanzler als Verwaltungschef der Universität. Wir besprechen und informieren uns alle gegenseitig, wo es brennt und versuchen schnelle Lösungen zu finden.
Was sind momentan die größten Herausforderungen?**
Nicht alle Digitalisierungsprozesse können im laufenden Betrieb quasi nebenbei erfolgen. Wenn zum Beispiel neue Komponenten ergänzt werden müssen, braucht man dafür normalerweise etwas Zeit, um alles in Ruhe vorzubereiten und durchzuführen. Doch Zeit haben wir im Moment nicht. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als wenn man mit dem Fahrrad fährt und gleichzeitig die Reifen wechseln muss. Die IT-Serviceeinrichtungen müssen jetzt oft Akuthilfe leisten und Feuerwehr spielen. Insbesondere der Konrektor für Lehre und Studium hat alle Hände voll zu tun, das Online-Studium gemeinsam mit den Fachbereichen zu koordinieren.
Birgt diese Krise auch Chancen?
Natürlich beschleunigt die Corona-Krise den Digitalisierungsprozess dieser Universität. Das ist erst einmal gut, weil wir einen gewissen Nachholbedarf haben. Auch wenn das Tempo zurzeit extrem hoch und nicht alles perfekt ist, bietet sich die Chance alles, was gut ist, weiterzuentwickeln.
Wie bezahlt die Universität das alles?
Das Land Bremen hat in der Corona-Krise ein Sofortprogramm für alle Hochschulen aufgelegt, damit diese ihre digitalen Lehr-Angebote ausbauen können. Hier stehen uns etwa zwei Millionen Euro zur Verfügung. Übrigens setzen wir die Gelder vom Land auch für Jobs für Studierende ein. Wer sich also für diese Digitalisierungsprozesse interessiert, kann sich gerne bewerben. Die Stellen schreiben wir zurzeit über Stud.IP aus.
Das Rektorat hat Sie beauftragt, die Digitalisierung der Universität langfristig voranzutreiben. Sind in diesen Prozess auch Studierende involviert?
Selbstverständlich. Ein intensiver Austausch mit Studierenden fand bereits im Februar 2020 bei der sogenannten Peer-to-Peer-Beratung im Rahmen der Förderung durch das Hochschulforum Digitalisierung statt. Initiiert hatte sie der Konrektor für Lehre und Studium. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten von anderen Hochschulen, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und des Hochschulforums Digitalisierung haben Lehrende und Studierende an Digitalisierungsthemen für die Lehre gearbeitet. Die Gruppe von Studierenden, die sich gebildet hat und sich regelmäßig trifft, kann weiterwachsen und könnte künftig ein sogenanntes „Digital Student Office“ bilden. Langfristig möchte ich für den Digitalisierungsprozess der Universität einen Beirat etablieren. Er soll sich aus allen Statusgruppen zusammensetzen: Studierende, Mitarbeitende aus Wissenschaft, Technik und Verwaltung sowie Professorinnen und Professoren.
Weitere Informationen:
Lesen Sie die Pressemitteilung zum Hochschulforum Digitalisierung