Wissenschaft, die Wellen schlägt

Die Meereswissenschaftlerinnen Dr. Christina Roggatz und Dr. Greta Reintjes führen erstmals ihre eigenen Teams – und wollen mit ihrer Arbeit den Klimawandel besser verstehen

Forschung / Meer

„Der größte Unterschied zu früher? Ich forsche nicht mehr nur mit, sondern leite heute ein eigenes Team“, sagt Dr. Christina Roggatz. Nachdem sie promoviert und als Postdoc gearbeitet hat, leitet sie nun erstmals eine eigene Forschungsgruppe, ebenso wie Dr. Greta Reintjes. Die beiden Meereswissenschaftlerinnen arbeiten im Lehr- und Forschungsgebäude BIOM Tür an Tür. Für up2date. haben sie einen Einblick in ihren Alltag als Juniorgruppenleiterinnen gegeben.

Christina Roggatz leitet ihre Gruppe im Rahmen der Freigeist-Initiative der Volkswagen Stiftung, Greta Reintjes über das Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Förderlinien gelten als besonders renommiert und ermöglichen es jungen Forschenden, schon früh in ihrer Laufbahn eigene Teams aufzubauen und eine unabhängige Forschungsagenda zu verfolgen. Inhaltlich forschen beide an grundlegenden Fragen der Meeresbiologie: Roggatz untersucht, wie Meeresorganismen, etwa Algen und Bakterien, miteinander kommunizieren. Reintjes, wie Meeresbakterien Zucker abbauen und wie das die Meeresökosysteme beeinflusst.

Die Labore der Wissenschaftlerinnen liegen im BIOM-Gebäude direkt nebeneinander. Diese räumliche Nähe empfinden sie als großen Vorteil. „Wir leiten beide zum ersten Mal eigene Teams aus Promovierenden, technischen Assistent:innen und Studierenden und tragen damit nicht nur wissenschaftliche, sondern auch personelle und organisatorische Verantwortung“, sagt Greta Reintjes. „Da ist es sehr hilfreich, sich untereinander austauschen zu können – sei es über Forschungsfortschritte, neue Drittmittelanträge oder auch administrative Prozesse wie die Bestellung von Geräten oder die Einstellung neuer Mitarbeitenden.“

Kleine Ökosysteme, große Auswirkungen

Trotz Managementaufgaben bleibt die Forschung das Herzstück ihrer Arbeit – und zeigt, wie sehr kleine Prozesse im Meer globale Bedeutung haben. So untersucht Christina Roggatz, wie Mikroalgen und Bakterien bereits seit über einer Milliarde Jahren koexistieren und mittels chemischer Botenstoffe miteinander kommunizieren. Im Laufe der Zeit mussten sie mit ganz unterschiedlichen Lebensbedingungen wie schwankenden Meerestemperaturen und pH-Werten umgehen. Doch bedeutet das, dass die Gemeinschaft aus Mikroalgen und Bakterien auch gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähig sein wird? Unter anderem diese Frage möchte Christina Roggatz genauer erforschen.

Eine Frau lächelt in die Kamera.
Christina Roggatz untersucht in ihrer Forschung unter anderem, ob die Gemeinschaft aus Mikroalgen und Bakterien im Meer gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähig sein wird.
© Matej Meza / Universität Bremen

Auch Greta Reintjes beschäftigt sich in ihrer Forschung mit dem Zusammenspiel von Algen und Bakterien, jedoch aus einem anderen Blickwinkel. Denn bei der Photosynthese produzieren Algen Zucker, der wiederum von Bakterien abgebaut wird – etwa, wenn sie abgestorbene Algen zersetzen. Doch wie genau funktioniert dieser Abbauprozess? Welche Enzyme kommen dabei zum Einsatz? Und arbeiten dabei verschiedene Bakterienarten zusammen oder stehen sie in Konkurrenz? Diese Fragen sind auch deshalb relevant, weil beim Abbauprozess CO₂ entsteht, das in die Atmosphäre gelangen kann. Vor diesem Hintergrund interessiert sich Greta Reintjes besonders dafür, wie sich dieser CO₂-Ausstoß reduzieren lässt, um so einen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels zu leisten.

Zwischen Labor und Schreibtisch

Bei ihrer Arbeit schätzen die Wissenschaftlerinnen die exzellente Forschungsumgebung sowie das besondere Miteinander an der Universität Bremen. „Wir profitieren sehr vom Austausch im BIOM, aber auch darüber hinaus – denn Bremen ist mit Institutionen wie dem MARUM, dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, dem Leibniz Zentrum für Marine Tropenforschung und dem Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven einer der bedeutendsten Standorte für Meeresforschung in Deutschland“, sagt Greta Reintjes. So sind die Wissenschaftlerinnen etwa an dem neuen Sonderforschungsbereich CONCENTRATE der Universitäten Greifswald und Bremen beteiligt.

„Nicht nur die wissenschaftliche Kooperation hilft uns sehr, auch von der Verwaltung werden wir hervorragend unterstützt“, hebt Christina Roggatz hervor. „Egal ob im Einkauf, im Personaldezernat oder in anderen Bereichen der Verwaltung – überall stoßen wir mit unseren Anliegen auf offene Ohren. ‚Keine Lust‘ oder ‚keine Zeit‘ gibt es hier einfach nicht.“

Und diese Haltung möchten Reintjes und Roggatz auch in ihren Arbeitsgruppen leben, insbesondere in der Unterstützung von Studierenden und Promovierenden. „Es ist toll zu sehen, wie die Studierenden an ihren Aufgaben wachsen“, sagt Christina Roggatz. „Wenn sie zum Beispiel erst einmal unsicher sind, ob unsere Themen wirklich zu ihnen passen, dann aber auf den Geschmack kommen und begeistert ihre eigenen Projekte planen.“

Eine Frau lächelt in die Kamera.
„Aus welcher Disziplin jemand kommt, welche Nationalität, welches Alter oder welches Geschlecht jemand hat, ist bei uns zweitrangig. Was zählt, ist das gemeinsame Engagement für unsere Forschung“, sagt Greta Reintjes.
© Matej Meza / Universität Bremen

Ebendiese Begeisterung verbindet die Mitglieder der Forschungsgruppen. „Aus welcher Disziplin jemand kommt, welche Nationalität, welches Alter oder welches Geschlecht jemand hat, ist bei uns zweitrangig. Was zählt, ist das gemeinsame Engagement für unsere Forschung“, sagt Greta Reintjes. In Feedbackrunden zu ihren Lehrveranstaltungen erleben sie und Christina Roggatz dennoch immer wieder, dass die Zusammenarbeit mit Forscherinnen für Studentinnen einen Unterschied macht und sie zu einer Laufbahn in der Wissenschaft motiviert. Beide erinnern sich, dass es in ihrer eigenen Laufbahn nur wenige weibliche Vorbilder in wissenschaftlichen Führungspositionen gab. „Umso schöner ist es, wenn wir heute selbst Studentinnen dazu ermutigen können, diesen Weg einzuschlagen“, sagt Greta Reintjes.

Hoffnung in Zeiten des Klimawandels

Doch nicht nur andere Forschende, Studierende und Promovierende, sondern auch Personen außerhalb der Universität möchten die Wissenschaftlerinnen erreichen. Zum Beispiel mit einem eigenen Modul bei der Bremer Kinder-Uni, bei dem die Kinder Algen und Bakterien im Mikroskop betrachten konnten. „Viele verbinden mit Bakterien erst einmal Schmutz und Krankheiten und sind erstaunt, dass sie im Meer eine so große und lebenserhaltende Rolle spielen“, erklärt Greta Reintjes.

Bild von Bakterien unter dem Mikroskop.
Bei der Bremer Kinder-Uni können Kinder Algen und Bakterien unter dem Mikroskop betrachten.
© Christina Roggatz

Gleichzeitig möchten die Forscherinnen den Kindern und damit auch ihren Eltern eine neue Perspektive auf den Klimawandel eröffnen. Sie erleben oft, dass Erwachsene dem Thema mit Ermüdung oder Resignation begegnen: Die Überzeugung, ohnehin nichts bewirken zu können, ist weit verbreitet. Mit ihrer Forschung wollen Roggatz und Reintjes nicht nur Kinder erreichen, sondern über sie auch deren Eltern und andere Erwachsene – und zeigen, dass Wissenschaft sehr wohl konkrete Beiträge zur Bewältigung des Klimawandels leisten kann.

Eigene Forschung betreiben, andere anleiten und mit der eigenen Arbeit Strategien zum Umgang mit dem Klimawandel entwickeln – all dies möchten Greta Reintjes und Christina Roggatz auch in Zukunft fortführen und streben deshalb eine Professur an. „Natürlich können wir alleine den Klimawandel nicht stoppen“, sagt Christina Roggatz. „Aber wir können unseren Teil zu dessen Verständnis und Bewältigung beitragen – durch unsere Forschung, oder auch, indem wir andere ermutigen und befähigen, ihren eigenen Beitrag zu leisten.“

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